Hückeswagen. „Klingelingeling, klingelingeling, hier kommt der Eiermann.“ Vor wenigen Wochen noch wurde der Evergreen in den rheinischen Karnevalshochburgen gesungen. Bei der Firma Neuenkamp in Hückeswagen nahe Remscheid kommt er nicht nur in der fünften Jahreszeit, sondern täglich.

Er heißt Thomas Lünenschloss – und viele seiner Kollegen nennen ihn liebevoll „unseren Hühnerbaron“. Sie schätzen die frischen Erzeugnisse seines Hobbys. Denn der Vorarbeiter in der Sägerei hat eine besondere Freizeitbeschäftigung: eine kleine Farm mit 300 Hennen und zwei Hähnen.

In seinem Job ist Thomas Lünenschloss alles andere als ein Weichei. Hier braucht er „Hände wie Werkzeuge“, wie er es ausdrückt. Denn er füttert neun Sägeautomaten, die geschmiedete Rohmaterialstäbe in Scheiben zerlegen. 250 in einer Schicht. Daraus entstehen Schneidwaren, die pro Minute über einen Kilometer Metallband zerschneiden.

Neuenkamp zählt zu den führenden Herstellern in der Schneidwaren-Branche

Sein Arbeitgeber Neuenkamp zählt zu den Top Drei der Schneidwaren-Branche. Er erwirtschaftet mit seinen 64 deutschen und 70 ungarischen Mitarbeitern 18 Millionen Euro Jahresumsatz. Und platzte am alten Standort in Remscheid aus allen Nähten. So entstand im benachbarten Hückeswagen ein Fünf-Millionen-Neubau mit 4.000 Quadratmeter Produktions- und Bürofläche – weil die Stadt Remscheid der Firma kein geeignetes Grundstück anbieten konnte.

Lünenschloss mag seinen aufgeräumten, hellen, neuen Arbeitsplatz, auch wenn er täglich 30 Kilometer zwischen Betrieb und zu Hause pendeln muss. Fragt man ihn, wie das Projekt mit den Eier legenden Zweibeinern begann, antwortet er: „Irgendwie bin ich wie die Jungfrau zur Henne gekommen.“ Der 80-jährige Nachbar habe die Hühner abgeben wollen und ihn gefragt, ob er den Job übernehmen wolle.

Das Idyll täuscht: Hühner halten ist nichts für Weicheier

Das war vor einem Jahr. Inzwischen hat Lünenschloss eine Menge über Hühnerhaltung dazugelernt. Er hat eine Wasserversorgung gebaut und eine elektrische Klappe für den Stall, die sich morgens beim ersten Hahnenschrei öffnet und abends, wenn es dunkel wird, automatisch schließt. „Die Tiere leben bei uns tagsüber im Freien und bekommen nur gutes Futter. Wenn’s dunkel wird, suchen Hühner den Schutz des Stalls.“

Das Idyll des Landlebens trügt. Am Wochenende geht es ans Saubermachen der Stallung, ganz nach alter Väter Sitte mit Mistgabel und Schubkarre, aber auch Hochdruckreiniger und Desinfektionsgerät. Denn: „Hühnerkacke ist ein ganz besonderer Stoff. Er stinkt erbärmlich und findet sich überall.“

Der Lohn der Mühe sind etwa 200 frische Eier. Pro Tag! Beim Einsammeln werden aus den im Job zupackenden Pranken des Metallers in feinfühlige Hände. Die Eier finden reißenden Absatz bei der Laufkundschaft, dem örtlichen Bäcker – und eben im Betrieb. Zehn Stück kosten 2,70 Euro.

Übrigens: Das Aussehen hat nichts mit der Farbe des Gefieders zu tun, sondern mit der des Ohrläppchens der Hennen.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Gelernt habe ich den Beruf des Bohrungsschleifers. Zur Firma bin ich durch meine Verwandtschaft gekommen. Und seit zehn Jahren bin ich „Herr der Sägen“.

Was reizt Sie am meisten?

Ich arbeite allein und bin daher mein eigener Herr. Zudem gefällt mir, dass ich den ganzen Tag in Bewegung bin.

Worauf kommt es an?

Auf präzises Arbeiten, aber auch auf Muckis. Ein Fitnessstudio brauche ich nicht. In dem Job musst du mitdenken und vorausplanen, damit in jeder Woche die richtigen Scheiben zur Weiterverarbeitung bereitstehen.