Köln/Berlin. Der Flugverkehr erholt sich hierzulande nur schleppend. An deutschen Flughäfen checkten im letzten Jahr gut 165 Millionen Passagiere ein und aus. Das war zwar ein Plus von 110 Prozent gegenüber 2021 – „aber das reicht noch lange nicht, um das Vor-Corona-Niveau wieder zu erreichen“, sagt Klaus-Heiner Röhl, Experte für Verkehr und Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft (IW)2019 waren es, nach Jahren stetigen Wachstums, knapp 250 Millionen Passagiere. Die Branche müsste da also noch einiges gutmachen. „Und da hängen wir ziemlich hinten dran, unsere europäischen Nachbarn haben deutlich besser aufgeholt“, so Röhl. Tatsächlich wird das Sitzplatzangebot sämtlicher Flieger, die bei uns starten und landen, in diesem Sommer bei 85 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 liegen. Das hat der Branchenverband BDL errechnet. Im restlichen Europa ist demnach ein deutlich größeres Angebot von im Schnitt 98 Prozent geplant.

Weniger Plätze und Routen im Inlandsflugverkehr

Dass es dem Luftfahrtstandort Deutschland an Schubkraft fehlt, liegt zum einen am schwächelnden Inlandsflugverkehr. Dort liegt das Sitzplatzangebot nur noch bei der Hälfte des früheren Niveaus. „Besonders die Nachfrage von Geschäftsreisenden zu innerdeutschen Zielen ist stark gesunken: Businesstreffen laufen jetzt oft online ab, der Flug fällt somit ersatzlos weg“, sagt der IW-Experte.

Abflug am Flughafen München: Besonders Inlandsflüge wurden von den Fluggesellschaften gestrichen.

Als Folge dieser fehlenden Nachfrage haben viele Fluggesellschaften ihr Angebot auf innerdeutschen Routen zusammengestrichen. „Geblieben sind nur die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings, die nun für das verringerte Angebot die Preise bestimmen können.“

„Besonders die Nachfrage von Geschäftsreisenden zu innerdeutschen Zielen ist stark gesunken: Businesstreffen laufen jetzt oft online ab, der Flug fällt somit ersatzlos weg“

IW-Experte Klaus-Heiner Röhl

Der mühsame Take-off hat aber auch mit den im europäischen Vergleich hohen Kosten an den deutschen Flughäfen zu tun. Wer seinen Flieger zwischen Hamburg und München landen lässt, zahlt nicht nur eine der europaweit höchsten Luftverkehrssteuern. Auch weitere Abgaben etwa für die Flugsicherung sind höher als in anderen Ländern. Die addierten Flughafengebühren und Steuern hierzulande machen oft bis zu 30 Prozent der Gesamtflugkosten einer Airline aus.

Weniger Direktverbindungen zu Zielen in Europa

„Das ist ein echter Standortnachteil im Vergleich zu anderen europäischen Flughäfen“, betont Röhl. „Und das hat eben mit dazu geführt, dass viele Direktverbindungen ins europäische Ausland weggefallen sind, die für Tourismus und Wirtschaft wichtig waren. Das höhlt den Wettbewerb aus und lässt die Preise weiter steigen.“

Tatsächlich bieten Ryanair, Easyjet und Co. in Deutschland mittlerweile ein Drittel weniger Flüge als noch vor der Pandemie an. Oder steuern ihre Ferienflieger zu relativ günstigen Regionalflughäfen wie Memmingen oder Nürnberg.

Zusätzlicher Druck kommt durch den Personalmangel. Viele Airlines müssen deshalb ihren Flugplan weiter ausdünnen. Alles in allem heißt das: Günstigere Tickets sind nicht in Sicht – zumal der Luftverkehr auch in die CO2-Bepreisung einbezogen werden soll.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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