Bergheim. Der Asphalt über der Baustelle vibriert, als Irakliy Sakaeishvili eine sogenannte Erdrakete anwirft. Dieser mit Druckluft betriebene Bohrhammer fräst sich langsam zur anderen Straßenseite, 80 Zentimeter unter der Fahrbahndecke. „Die Erdrakete nutzen wir zur Straßenquerung und für die Strecke vom Gehweg zum Haus, damit wir den Vorgarten nicht aufbuddeln müssen“, erklärt Peter König. Er ist Abteilungsleiter Roll-out-Management bei der Deutschen Glasfaser, der Firma, die hier in Bergheim bei Köln gerade Glasfaserkabel verlegt.

Video: Hier sehen Sie, wie Glasfasern verlegt werden

Empfohlener externer Inhalt: YouTube

Dieser Artikel wird an dieser Stelle durch einen externen Inhalt von YouTube bereichert, den unsere Redaktion ausgewählt hat. Bevor wir diesen Inhalt anzeigen, benötigen wir Ihre Einwilligung. Natürlich können Sie das Element eigenhändig wieder deaktivieren oder Ihre Cookies löschen.

Glasfaser: Bis 2030 sollen alle Haushalte superschnelles Netz haben

Glasfasern – sie sind eine Datenautobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Lichtwellenleiter übertragen Informationen per Lichtsignal (und nicht wie Kupferleitungen über elektrische Impulse). „Damit ist eigentlich nur die Lichtgeschwindigkeit die Grenze“, sagt Dennis Slobodian, Sprecher der Deutschen Glasfaser. Kunden können so heute mit einem Gigabit pro Sekunde ins Netz gehen – 200-mal schneller als mit dem klassischen DSL! „In Zukunft reden wir vielleicht sogar über Terabit pro Sekunde“, glaubt Slobodian. Für Firmen, die fit fürs Big-Data-Zeitalter werden wollen, ist solch ein Anschluss fast schon Pflicht.

Trotzdem hinkt Deutschland beim Ausbau hinterher. Und zwar massiv: Während Glasfaserverbindungen in Ländern wie Spanien oder Schweden im Vorjahr schon 80 Prozent aller Breitbandanschlüsse ausmachten, waren es hierzulande nur 8 Prozent! Nach dem Willen der Bundesregierung sollen aber bis 2030 bundesweit alle Haushalte ein Glasfaserkabel vor der Tür haben. Baustellen wie die in Bergheim gibt es deshalb gerade sehr viele.

Beim aktiv-Besuch steht Peter König auf dem zentralen Platz der Kreisstadt Bergheim. „Das ist der Hauptverteiler“, zeigt er und schließt die Tür einer Garage auf. Innen versteckt sich eine Menge Technik: Wie in einer Telefonzentrale sind an Steckplätzen Hunderte Kabel eingehängt. „Hier enden die Glasfasern aller Kunden“, erklärt König. Über den Hauptverteiler werden sie mit dem sogenannten Backbone vernetzt, der Bergheim mit dem Rest der Welt verbindet.

Um die Internetleitungen von hier aus in die Haushalte zu verlegen, nutzen Ausbaufirmen verschiedene Verfahren. „Was man kennt, sind Bagger und Schaufel“, sagt König. „Für unsere Zwecke reichen ein kleiner Bagger und eine schmale Schaufel.“ Denn: Die haarfeinen Fasern nehmen viel weniger Raum ein als etwa Strom- oder Gasleitungen. Oft reicht schon eine Schlitzfräse, die den Gehweg 15 Zentimeter breit aufreißt. Noch minimalinvasiver sind Methoden wie die Erdrakete oder das Spülbohrverfahren: Für beide braucht es nur ein Start- und ein Zielloch. Dazwischen graben beziehungsweise spülen die Geräte einen Tunnel.

Erst jetzt gibt es eine DIN-Norm für den Glasfaser-Ausbau

Solche Methoden sind nicht ungefährlich. Schließlich stecken im Erdreich auch andere Leitungen – die früher oft nicht so genau kartiert wurden. „Deshalb kontrollieren wir alle Unterlagen und graben Suchschächte“, sagt König. Glasfasern können übrigens Feuchtigkeit und Frost trotzen und müssen daher nur 40 Zentimeter unter die Erde. „Trotzdem haben die Kommunen dafür bisher dieselben Regeln zugrunde gelegt, die für normalen Tiefbau galten“, so König. Das habe den Ausbau oft verzögert.

Erst 2023 – zwölf Jahre nach dem Verlegen der ersten Giga-Leitung in Deutschland – soll eine spezielle DIN-Norm für den Glasfaser-Ausbau in Kraft treten. Ob sie ihn beschleunigt? Hoffen wir’s!

So funktioniert der Glasfaserausbau

  • In Deutschland gibt es den privatwirtschaftlichen und den geförderten Glasfaserausbau: Beim privatwirtschaftlichen gehen Netzbetreiber wie Telekom, Deutsche Glasfaser, M-Net, EWE, Netcologne oder Deutsche GigaNetz in Vorleistung. In einer Wirtschaftlichkeits-Analyse überprüfen die Unternehmen vorab, ob sich der Ausbau für sie lohnt. Dazu müssen mindestens 30 bis 40 Prozent der Haushalte eines potenziellen Ausbaugebiets bereit sein, Vertragskunden zu werden. In Gebieten, in denen Netzbetreibern eine wirtschaftliche Erschließung nicht möglich ist, fördern Land und Bund den Ausbau.
  • Hat ein Betreiber ein Gebiet zu 100 Prozent ausgebaut, heißt das noch nicht, dass hier alle Haushalte ans Giganetz angeschlossen sind – die Glasfasern liegen nur bis vor die Haustür. Haushalte können sich aber jederzeit Kabel ins Haus legen lassen. Dafür werden Anschlusskosten fällig.
  • Hierzulande ist auch der sogenannte Überbau von Glasfasernetzen erlaubt. Damit gemeint ist der Bau eines Glasfasernetzes in einem Gebiet, in dem bereits solche Kabel liegen. Eigentlich wollten sich die Unternehmen gegenseitig Zugang zu ihren Glasfasernetzen gewähren, damit der flächendeckende Ausbau schnell vorankommt. Doch vor allem in urbanen Gebieten mit vielen Kunden bevorzugen manche Betreiber ihr eigenes Netz – was inzwischen zu Streit in der Branche und in der Politik geführt hat.
Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

Alle Beiträge des Autors