Haan. Die Narbe am Finger hat sich Gabriele Kracht als kleines Mädchen zugezogen. Sie saß beim Großvater auf den Knien und guckte zu, wie er einen Hornhauthobel prüfte. Ihm rutschte dabei die Klinge weg und schnitt der Kleinen in die Hand. „Da habe ich Blutsbruderschaft mit der Firma geschlossen“, lächelt die Chefin des Familienunternehmens Credo, das sie seit fast 30 Jahren in der vierten Generation führt.

Ingo Wunsch hat während seiner drei Jahre in der Klingenproduktion gelernt, auf seine Finger aufzupassen. Er nimmt die Klingen heraus, die die Schleifstation ausspuckt, und wirft einen prüfenden Blick darauf. „Die sind so scharf, dass sie ein fallendes Blatt Papier zerschneiden können“, warnt er. Aber keine Bange, bei den Kunden kommen sie sicher in Kunststoff eingebettet an.

Die Produkte für Pediküre und Maniküre gehen in 60 Länder

Der Zerspanungsmechaniker ist einer der rund 45 Mitarbeiter. Der Name Credo steht für Pediküre- und Maniküre-Werkzeug „made in Solingen“. Im Dienste der gepflegten Füße und Hände wird mit den kleinen scharfen und spitzen Edelstahlinstrumenten geschnitten, geknipst, gefeilt, gehobelt und geraspelt - und das in mehr als 60 Ländern.

Das 1924 gegründete Unternehmen gehört zu den Weltmarktführern. Mit immer neuen Produkt- und Design-Ideen ist es ihm gelungen, den Umsatz im Laufe der Jahre zu vervielfachen. 2018 setzte Credo 7,2 Millionen Euro um. Und auch dieses Jahr wird wohl „wolkenfrei“, freut sich Unternehmerin Kracht. „Die neue Hornhautraspel geht weg wie geschnitten Brot.“ Damit kann man die Hornhaut in alle Richtungen abtragen, man schafft auch dicke Schichten weg.

Auch der Sohn arbeitet im Unternehmen – als Meister

Der neue Onlineshop ist ebenfalls gut angelaufen – eine Idee von Tochter Nadine Kracht. Die 27-Jährige bereitet sich nun darauf vor, die Firma zu übernehmen. Die Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau hat sie aber bewusst woanders gemacht. Auch ihr Bruder Fabian arbeitet in der Firma. Vor Kurzem hat er seine Meisterprüfung absolviert und darf demnächst ausbilden.

2015 zog der Traditionsbetrieb Credo von Solingen ins benachbarte Haan

Gabriele Kracht zieht sich allmählich aus dem Geschäft zurück. Ihren Kindern wird sie eine moderne Fabrik vererben. „Unser altes Werk platzte aus allen Nähten“, sagt die 63-Jährige. Man produzierte auf drei Stockwerken ohne Aufzug. Vergeblich suchte sie ein Grundstück in Solingen und zog deshalb 2015 in die Nachbarstadt Haan.

Credo darf weiterhin das Qualitätssiegel „made in Solingen“ auf seine scharfen Sachen schreiben. Denn der geschützte Begriff gilt seit 1936 auch für Haan. Grund: Dort sitzen viele Zulieferer der Schneidwarenbranche.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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