Bergisch Gladbach. Für schwere Trucks bleibt sie ein No-Go: Die marode Autobahnbrücke der A43 über die Emscher bei Herne in NRW ist für Lkws über 3,5 Tonnen Gewicht weiterhin gesperrt, bis ein Neubau fertig ist. Autofahrer können sie nach wie vor nutzen – digitale Technik macht den Weg frei.
Das ist das Ergebnis einer Belastungsprobe der Brücke, über die täglich 90.000 Autos fahren. Ingenieure haben das Bauwerk im Frühjahr mit 80 Sensoren ausgestattet, mit Temperaturfühlern und Dehnungsmessstreifen. Die registrierten dann bei Testfahrten mit schwer beladenen Lkws, wie der Stahl auf die Belastung reagiert.
Brücken sollen über die komplette Lebensdauer überwacht werden
Das Beispiel zeigt: Die Digitalisierung erreicht jetzt auch die Infrastruktur. Und hilft, die Lebensdauer von Brücken zu verlängern. In Zukunft soll die Mess-Hightech noch viel mehr leisten, sagt Bauingenieur Peter Haardt von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bergisch Gladbach. „Wir möchten Brücken über die komplette Lebensdauer mit Messtechnik überwachen und so immer über ihren aktuellen Zustand Bescheid wissen.“
Derzeit nehmen Ingenieure bei Brücken alle sechs Jahre eine Hauptprüfung vor. Sie schauen sich das Bauwerk an allen Stellen genau an oder prüfen den Beton durch Klopfen Zentimeter für Zentimeter auf Hohlräume. „Dabei entdeckt man Schäden oft erst dann, wenn sie äußerlich sichtbar werden“, erklärt Haardt, Referatsleiter Betonbau bei der Bundesanstalt. Statt zu agieren könne man nur reagieren.
„Wir messen die Belastung durch Verkehr, Wind, Verformungen und Schwingungen“
Digitale Techniken sollen nun zusätzliche Infos liefern. „In mehreren Projekten arbeiten wir unter dem Motto ,Intelligente Brücke‘ an prädiktiven Lösungen“, sagt der Bauingenieur. Schon heute kann man Beton, Stahl und Lager mit Sensoren kontinuierlich überwachen und so die Effekte erfassen, die am Bauwerk nagen. „Wir messen die Belastung durch Verkehr und Wind, Verformungen, Steifigkeit und Schwingungen“, berichtet Haardt. „Andere Sensoren erfassen den Einfluss von Streusalz auf den Beton, die Korrosion am Stahl oder die Feuchtigkeit.“
Macht man das permanent, fallen Abermillionen Daten an. Mit einer speziell entwickelten Software wird diese Zahlenflut ausgewertet. „So können wir sowohl Aussagen über den derzeitigen Zustand der Brücke machen, als auch abschätzen, wie sich das Bauwerk voraussichtlich weiterentwickeln wird“, erklärt Haardt. Wenn Grenzwerte überschritten würden und Schaden drohe, könne man rasch eingreifen.
Mit der Schallemissionsprüfung registrieren Experten, wenn im Bauwerk Risse entstehen
An drei Brücken bei Nürnberg, Köln und Dortmund probiert die Bundesanstalt die neuen Techniken aus – eine wichtige Entwicklung. Viele der knapp 40.000 Straßenbrücken im Land sind älter als 40 Jahre und oft nicht für die heutigen Verkehrsströme ausgelegt. Allein von 2021 bis 2023 fließen jährlich rund 1,6 Milliarden Euro in die Brückenerhaltung.
Auch andere treiben die Rund-um-die-Uhr-Überwachung voran. So hat der Baukonzern Bilfinger in einem Pilotprojekt die Talbrücke Thalaubach bei Fulda mit Sensoren für eine „smarte“ Schallemissionsprüfung ausgestattet. Sie detektieren die Geräusche beim Entstehen von Rissen; der Computer filtert störenden Lärm raus.
Werden also bald alle Brücken im Land mit Sensoren überwacht? „Das dürfte zu aufwendig sein“, sagt Haardt. „Aber jeder Neubau wird so konstruiert, dass man die Messtechnik nachträglich einbauen kann.“ Zudem könne man sich mit einer Clusterbildung helfen: Typische Brücken bestückt man mit Sensoren; die dort ermittelten Daten lassen sich dann auf vergleichbare Bauwerke übertragen.