Bad Soden-Salmünster. Franz Josef Wolf war gerade volljährig, da gründete er 1956 das Woco Gummi- und Kunststoffwerk. Daraus ist eine weltweit operierende Gruppe mit rund 6.000 Mitarbeitern gewachsen. aktiv sprach mit ihm, Tochter Christina und Sohn Bernhard über die Auswirkungen der Corona-Krise.

Herr Wolf, was bedeutet die Corona-Pandemie für Sie persönlich?

Franz Josef Wolf: Meine Kinder haben mich aufgrund meines Alters schon vor dem offiziellen Shutdown ins Homeoffice versetzt. Ich bin ein Mensch, der von den persönlichen Kontakten lebt. Die Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit fällt mir enorm schwer, trotz der Video- und Telefonkonferenzen. Wir bei Woco nehmen die Krise sehr, sehr ernst. Deshalb haben wir schon Ende Februar weitreichende Reisebeschränkungen und umfangreiche Hygienemaßnahmen erlassen.

Was bedeutet Corona für Woco?

Franz Josef Wolf: Die Auswirkungen sind dramatisch. Wir machen rund 90 Prozent unseres Geschäfts mit der Automobil-Industrie. In Deutschland brach der Automobil-Absatz in den vergangenen Monaten um zwei Drittel ein. Fehlender Umsatz in diesem Ausmaß bedeutet sofort eine extreme Belastung für die Liquidität. Das ist ein herber Einschnitt. Wir haben mit Kurzarbeit und im Ausland mit ähnlichen Maßnahmen reagiert, da die Fixkosten weiterlaufen. Homeoffice, Hygienevorschriften und das ständige An- und Abstellen der Produktion bedeuten Zusatzaufwand sowie Mehrbelastungen und führen zu dramatischen Produktionsverlusten.

Sie sind seit über 60 Jahren Unternehmer – und haben christliche Werte immer in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit gestellt. Was ist jetzt besonders wichtig?

Franz Josef Wolf: Wichtig ist, den Mitarbeitern den Mut zurückzugeben, eine Vision, für die es sich lohnt zu kämpfen. Woco ist und bleibt ein Familienunternehmen. Ich habe mich anlässlich meines 85. Geburtstags mit einer Videobotschaft an unsere Belegschaft gewandt; um Mut für die Zukunft zu machen und an unsere Vision zu erinnern.

    Wie lautet diese Vision?

    Franz Josef Wolf: Wir wollen anderen Menschen einen Nutzen bringen. Es lohnt sich, den Nutzen unserer Tätigkeit für andere Menschen in den Vordergrund zu stellen. Die alles entscheidende Frage lautet: „Was haben andere Menschen davon, dass es mich beziehungsweise unser Unternehmen gibt?“ In Krisenzeiten kann sehr viel mehr und schneller bewegt werden als in „normalen“ Zeiten. Alle Betroffenen erkennen die Notwendigkeit für ungewohnte Lösungsansätze.

    Christina Kremser-Wolf: Daraus kann sich viel Positives entwickeln. Erweiterte Kurzarbeit oder die rasend schnelle Umgewöhnung auf Telekommunikation statt Reisen. Auch die Bereitschaft im Unternehmen, neue Produkte und Märkte zu betrachten, ist viel größer als in „normalen“ Zeiten. Daraus erwachsen Chancen.

    Wie wichtig ist denn jetzt ein Netzwerk?

    Bernhard Wolf: Zunächst ist jeder auf sich allein gestellt. Allerdings hilft die Kommunikation in den Verbänden enorm. Zum Beispiel um zu prüfen, ob die Banken mit verschiedenen Maßstäben arbeiten. Wichtig ist zudem die Kommunikation des Arbeitgeberverbands, um die Politik zu erreichen.

    Wie ist Ihr Verhältnis zum Betriebsrat? Bekanntlich haben sich in der Krise die Sozialpartnerschaft und der Flächentarif oftmals bewährt.

    Christina Kremser-Wolf: Ja, das stimmt. Die Zusammenarbeit mit unserem Betriebsrat ist ausgezeichnet. Der Erhalt von Arbeitsplätzen ist für beide Seiten oberstes Ziel. Im Gegensatz zum Beispiel zu Frankreich oder den USA, wo die Gewerkschaften recht einseitig agieren und keine langfristige Ausrichtung kennen.

    Was wird Corona verändern? Mehr Digitalisierung und Homeoffice, weniger Geschäftsreisen?

    Christina Kremser-Wolf: Mehr Digitalisierung und mehr Homeoffice ja. Doch ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice wäre sicherlich nicht der richtige Weg.

    Bernhard Wolf: Unsere Geschäftsreisen sind bereits drastisch zurückgegangen. Seien wir ehrlich, eine Videokonferenz kann das persönliche Gespräch nicht ersetzen. Ich bin sicher, die Kaffeepause bei Konferenzen bleibt eine unverzichtbare Gelegenheit zum Austausch mit Kunden oder Geschäftspartnern.

    Werden Globalisierung und weltweite Arbeitsteilung zurückgedreht?

    Bernhard Wolf: Ich glaube das nicht. Von der Globalisierung profitieren wir alle. Weltweit wurden Arbeitsplätze geschaffen, daraus resultierte Wohlstand auch in wirtschaftlich schwächeren Ländern. Dazu zählen auch politische Beziehungen und Verflechtungen. Sie dienen der weltweiten Friedenssicherung. Es wird sicherlich Tendenzen geben, nicht mehr alles auszulagern. Dennoch bleibt eine gesunde Arbeitsteilung im Weltmaßstab wünschenswert.

    Wie stark beunruhigen Sie die politischen Unruhen in der Welt?

    Christina Kremser-Wolf: Wir können dankbar sein, in Deutschland zu leben. Unsere Soziale Marktwirtschaft und das Gesundheitswesen bewähren sich in der Krise. Jetzt müssen wir Europa stärken!

    Bernhard Wolf: Wir brauchen einen umfassenden gesamteuropäischen Plan, der den Grundstein für erfolgreiches Wirtschaften in der Zukunft legt. Konjunkturpakete sind wichtig, damit Unternehmen und Belegschaften schrittweise zur Normalität zurückkehren können.

    Vor der Zukunft ist Ihnen nicht bange?

    Franz Josef Wolf: Wir haben bei Woco bereits mehrere Krisen überstanden. Nach unseren gerechneten Szenarien könnte sich für uns ein Umsatzrückgang über das Gesamtjahr 2020 in Höhe von 25 bis 30 Prozent ergeben. Wir werden auch diese Krise meistern.

    Woco in Zahlen

    Das Familienunternehmen ist ein globaler Systemanbieter.

    • 25 Werke betreibt Woco weltweit.
    • 730 Millionen Euro Jahresumsatz machte das Unternehmen im Jahr 2019.
    • 750 Mitarbeiter hat es am Standort Bad Soden-Salmünster.
    Werner Fricke
    Autor

    Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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