„Work-Life-Blending ist der grenzenlose Übergang zwischen Arbeitsleben und Privatleben – im krassen Gegensatz zur Tätigkeit mit fester Arbeitszeit“

Die junge Generation stellt die Arbeitswelt grundsätzlich infrage. Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen fordern mehr Flexibilität, mehr Freiheiten und weniger Wochenstunden, um die Arbeitszeit individuell an die Lebensplanung und den eigenen Alltag anpassen zu können. Job, Hausarbeit und Freizeit: Was früher strikt getrennt war, greift neuerdings oft ineinander oder vermischt sich.

Grenzenloser Übergang zwischen Berufs- und Privatleben

Wenn zum Beispiel mobil von zu Hause aus gearbeitet wird, auch abends, und dafür am Tage manchmal private Dinge eingeschoben werden: Das nenne ich „Work-Life-Blending“, das ist das Modell der Zukunft. Damit meine ich den grenzenlosen Übergang zwischen Arbeitsleben und Privatleben, im krassen Gegensatz zu einer klassisch organisierten Tätigkeit mit fest vereinbarten Arbeitszeiten. Work-Life-Blending ermöglicht den fließenden Wechsel zwischen Hobbys und Meetings oder Sightseeing und Kundengespräch. Gerade wenn es um die Arbeitszeit geht, sieht man aber ja ganz hart, wie stringent das noch gefahren wird.

Niemand ist acht Stunden lang produktiv

Die Älteren denken meist noch sehr industriell: Du musst acht Stunden absitzen, du musst da sein, ich schaue dir auf die Finger. Aber im Großteil der Berufe kann niemand acht Stunden lang produktiv sein. Heute regt man sich auf, dass wir von 40 Wochenarbeitsstunden runter wollen auf 32. Früher waren es 60. „Am Samstag gehört der Papa mir!“, war ja der gewerkschaftliche Slogan. Doch würden wir die Arbeitszeit reduzieren und sogar nur noch vier Stunden unseres Tages der Arbeit schenken, dann wären wir entspannter, glücklicher und ausgeglichener.

Allerdings: Die neuen Arbeitskonzepte – weniger Arbeitszeit, Homeoffice, flexibles Arbeiten – setzt man ja nicht um, weil es chilliger ist, weil keiner mehr arbeiten will, sondern weil es produktiver ist. Ich setze mich so für Work-Life-Blending ein, weil ich weiß, dass es funktioniert. Dabei vermischen sich Arbeit und Privatleben organisch.

„Das Interesse zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss im Gleichgewicht sein, sonst funktioniert es nicht“

Flexibilität ist heutzutage eine Notwendigkeit. Gerade junge Generationen achten heute sehr auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance, Zeit ist für sie das höchste Gut. Unser Unternehmenssitz in Boppard hat aufgrund der ländlichen Lage am Rhein kein großes Einzugsgebiet für Arbeitnehmer und nur einen eingeschränkten Bewerbermarkt. Das spornt uns an, die familiäre Situation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst mit unseren betriebswirtschaftlichen Anforderungen zu vereinen. Wenn jeder mit seinem Arbeitszeitmodell zufrieden ist, stärkt das die Motivation und die Bindung an das Unternehmen.

Firmen sind Wirtschaftsbetriebe

Die Interessen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers sollten in einem harmonischen Gleichgewicht sein. In dieser Balance bieten wir den Arbeitnehmern dennoch die größtmögliche Flexibilität. Dessen ungeachtet sind und bleiben wir ein Wirtschaftsbetrieb. Wir beschäftigen aktuell 220 Mitarbeiter vor Ort und werden die Mitarbeiterzahl durch Zukäufe in Hamburg ab Oktober fast verdoppeln. Aktuell haben wir bei uns eine Kernzeit, welche es stetig den aktuellen Anforderungen anzupassen gilt, um in Zukunft eine noch größere Flexibilität anbieten zu können.

Flexibles Modell muss zum Betrieb passen

Trotzdem sind wir in der Lage, sehr individuelle Teilzeitmodelle anzubieten – zum Beispiel für Frühkommer oder Spätkommer. Zudem haben wir eine interne Vereinbarung getroffen, die zwei Tage pro Woche mobiles Arbeiten ermöglicht. Hier geben wir als Personalabteilung Leitplanken vor, welche die Zusammenarbeit mit den Abteilungen und den Vorgesetzten verlässlich definieren. Hier ist unter anderem geregelt, dass die mobilen Arbeitstage in Abstimmung mit dem Vorgesetzten genommen werden können und in unserem System hinterlegt werden müssen. So bewahren wir die Planungssicherheit für alle Beteiligten.

Am Ende muss aber jedes flexible Modell zum jeweiligen Unternehmen und dem Aufgabenbereich passen. Deshalb optimieren wir uns stetig, um so die Zufriedenheit und Motivation für ein langlebiges Verhältnis fortwährend zu steigern.

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Sabine Latorre
Bis 2024 Leiterin aktiv-Redaktion Rhein-Main

Dr. Sabine Latorre war bei aktiv 22 Jahre lang die Spezialistin für Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie – bis zu ihrem Rentenbeginn im April 2024. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Außerdem schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.

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