Tübingen. Wussten Sie schon, dass ein schwarzes T-Shirt eines der meistproduzierten Kleidungsstücke der Welt ist? Und Schwarz eine der beliebtesten Farben für Kleidung überhaupt? Aber leider ist Schwarz in der Textil-Industrie ein besonders kritischer Stoff: „Beim Färben braucht man zehn, elf Nachwaschzyklen, bis das Wasser klar bleibt“, erklärt Annegret Vester. Die Chemikerin treibt beim Spezialchemie-Unternehmen CHT in Tübingen das Thema Nachhaltigkeit voran – damit zum Beispiel Textilien rund um den Globus umweltfreundlicher hergestellt werden können.
Die CHT-Gruppe ist dabei ein Global Player: An 25 Standorten auf allen Kontinenten hat sie 2.180 Mitarbeiter, davon 740 in Deutschland. 2018 wurden 174.000 Tonnen chemische Hilfsmittel hergestellt, der größte Produktionsstandort ist nach wie vor in Dußlingen nahe Tübingen.
Erst die Chemie macht Kleidung gut tragbar
Mithilfe der CHT-Produkte lassen sich Kleidung und Leder herstellen, aber auch Farben, Lacke, Papier oder Körperpflege-Mittel. Ohne Chemie lassen sich die Fasern von Baumwolle, Polyamid oder Polyester gar nicht zu bunten kuscheligen Hosen, Pullovern und Mänteln verarbeiten. Doch vor allem in Asien ist der Ruf der Textilherstellung schlecht: Greenpeace weist mit seiner Entgiftungskampagne „DeTox“ auf Missstände hin, prangert vergiftete Flüsse ebenso an wie durch das Färben der Textilien erkrankte Arbeiter.
„Unsere Mittel sind nicht nur ungiftig, sie sparen auch Wasser und Energie“
„Das haben wir uns zu Herzen genommen“, betont Vester, „und alle unsere Produkte auf den Prüfstand gestellt.“ Rund 5.000 Rezepturen wurden daher in den letzten Jahren in Tübingen hinterfragt, geprüft und optimiert. Gesundheitsgefährdende Substanzen wichen umweltfreundlicheren Alternativen. Das Ziel des Unternehmens: der weltweit bevorzugte industrielle Partner für nachhaltige Spezialitätenchemie zu sein. „Unsere nachhaltigen Produkte verzichten nicht nur auf kritische Rohstoffe“, erklärt die Chemikerin, „sie sparen auch Wasser, Zeit und Energie.“
So lässt sich etwa das T-Shirt jetzt schon bei 60 Grad statt wie früher bei 100 Grad Celsius färben. Die neuen Farbstoffe haften schneller an der Faser – und zwar so gut, dass man mit Unterstützung des richtigen Nachseifmittels die Anzahl der Nachspülzyklen halbieren kann! „Das spart im gesamten Färbeprozess rund ein Drittel Wasser, jede Menge Strom und Chemikalien.“
Oder Jeans: Das Bleichen etwa für künstliche Knitterfalten wird normalerweise mithilfe des Oxidationsmittels Kaliumpermanganat erzeugt. „Das sprühen die Arbeiter in Asien oft von Hand auf die Stoffe“, so Vester. Als Ersatz bietet CHT nun ein Bleichmittel an, das sich mit einer Nebelmaschine auftragen lässt.
Gutes Image zieht den Firmennachwuchs an
Allerdings ist nachhaltige Chemie teurer als traditionelle, zumal viel Forschungs- und Entwicklungsaufwand darin steckt. „Das braucht beim Kunden noch viel Beratung“, weiß Vester. Doch nehme der Druck auf die Textil-Industrie durch die Endkunden enorm zu: „Wir sehen an der steigenden Nachfrage nach unseren optimierten Produkten, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Ein weiterer Pluspunkt: „Unser gutes Image hilft enorm bei der Suche nach jungen Chemikern oder Technikern.“
Bis 2025 will sich CHT sehr stark anhand der UN-Vorgaben der „Sustainable Development Goals“ weiterentwickeln. Auf diesem Weg gewann das Unternehmen bereits zweimal den „Responsible Care“-Preis des Verbands der Chemischen Industrie.
Dr. Sabine Latorre war bei aktiv 22 Jahre lang die Spezialistin für Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie – bis zu ihrem Rentenbeginn im April 2024. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Außerdem schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.
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