Die Lage in der Textil- und Bekleidungs-Industrie bleibt problematisch, viele Betriebe operieren seit Monaten im Corona-Modus. Sie müssen massive Umsatzeinbußen verkraften, die Auftragseingänge sind eingebrochen – aktuell scheint sich die wirtschaftliche Situation zwar etwas zu entspannen, doch die Branche ist noch lange nicht über den Berg.
Kein Wunder, dass die Verantwortlichen tief besorgt sind – und das nicht nur wegen der aktuellen Lage. Das zeigte der Branchentreff der nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungs-Industrie Mitte August bei Saertex in Saerbeck, einem Hersteller von technischen Textilien.
Auf der Tagesordnung des Treffens, zu dem auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart gekommen war: die Belastungen durch die Energiewende. Dabei ging es besonders um die ab dem 1. Januar 2021 gültige CO2-Bepreisung.
Jede Tonne CO2, die an die Umwelt abgegeben wird, kostet von da an 25 Euro - gezahlt von den Unternehmen des Brenn- und Kraftstoffhandels, die die Mehrbelastung an Firmen und Endverbraucher weitergeben werden.
„Dazu gehören auch Hersteller von Heimtextilien wie Bettwäsche, aber auch von technischen Textilien“, so Wilfried Holtgrave, Präsident von Nordwest textil+mode, bei dem Branchentreffen. Sie brauchen viel Wärme für die Produktion, die am effizientesten mit Gas erzeugt wird. Für Betriebe wie den Heimtextilien-Hersteller Bierbaum aus Borken wird der Klimagas-Aufschlag dadurch zum Problem. Die Belastung gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, so Jan-Frederic Bierbaum, Chef der Bierbaum-Gruppe: „Irgendwann können wir mit Asien nicht mehr mithalten.“
Konkrete Maßnahmen gegen die Verlagerung der Produktion? Fehlanzeige
Da hilft auch nicht die geplante Begrenzung der Ökostrom-Umlage zur Stärkung der Konjunktur. Viele Textiler verbrauchen nur wenig Strom oder produzieren ihn über die Abwärme selbst. Sie profitieren kaum von einer niedrigeren Umlage. Für Bierbaum bedeutet die CO2-Bepreisung eine Preiserhöhung um 25 Cent pro Bettwäsche. „Das hört sich nicht nach viel an. Für unsere Kunden sind das aber 25 Gründe, die Bettwäsche woanders zu kaufen - vermutlich in China.“ So werden am Standort Deutschland Jobs gefährdet – weil womöglich aufgrund der Klimaschutzkosten die Produktion in Länder mit weniger strengen Auflagen abwandert.
Um das zu verhindern, kann der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, um die Verlagerung der Produktion zu verhindern. Das Problem: Diese Maßnahmen seien immer noch unklar, so Bierbaum: „Wir können nicht beurteilen, ob das Ziel erreicht werden kann. Als Unternehmer brauchen wir aber Planungssicherheit.“
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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