Waldkirch. Hinrich Brumm hat seinen Hamburger Akzent behalten. Obwohl er schon in der ganzen Welt unterwegs war. Mit seinen Kollegen entwickelt er beim Sensorhersteller Sick Produkte für die Schifffahrt, als Branchenexperte für maritime Anwendungen. „Meine Aufgabe ist auch, Trends von Hypes zu unterscheiden“, sagt der 51-Jährige. Er und Christian Lohner haben mit ihren Teams das Analysegerät „Marsic300“ auf den Markt gebracht. Es sorgt für mehr Umweltschutz bei Schiffen – alles andere als ein vorübergehender Hype.
Denn das Thema wird immer wichtiger! Zumal Container- und Kreuzfahrtschiffe meist mit schwefelhaltigem Schweröl angetrieben werden. Anfang 2020 wurde der Grenzwert für Schwefel im Kraftstoff von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt. In sensiblen Regionen wie der Nordsee sogar auf 0,1 Prozent. Das Gerät von Sick weist nach, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Und liefert Daten, mit denen die Treibstoffverwertung optimiert werden kann.
Die beiden Kollegen teilen die Liebe zur Schifffahrt
Christian Lohner ist Produktmanager für das Analysegerät, das mit dem Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde. Und erklärt, wie Marsic300 funktioniert: „Es analysiert kontinuierlich das Abgas und ermittelt die Konzentration der zu messenden Gase. Auf diese Weise hat man einen Nachweis, dass die Abgasreinigung effektiv arbeitet und die Regularien eingehalten werden.“
Um die Grenzwerte einzuhalten, gibt es mehrere Möglichkeiten: etwa den Umstieg auf weniger schwefelhaltiges Marine-Gasöl oder Erdgas. „Das ist aber teurer und nicht in den erforderlichen Mengen verfügbar“, weiß Lohner. Also werden die Abgase gereinigt. „Dazu werden sogenannte Scrubber nachgerüstet, also Abgaswäscher“, erklärt Brumm. Die Liebe zur Schifffahrt ist ihm in die Wiege gelegt. „Wir haben in Hamburg den Hafen mitten in der Stadt, das weckt Fernweh“, sagt er. So liegt es ihm auch ganz persönlich am Herzen, dass Schiffe sauberer werden.
Der Spezialist für Sensoren hat viel Erfahrung in der Messtechnik
Lohner zeigt auf das kastenförmige Gerät: „Bis zu neun Gaskomponenten gleichzeitig werden darin gemessen“, erklärt er. In einer Messkammer trifft das Abgas auf Licht mit spezifischer Wellenlänge. „Durch exakte Reflexion des Lichtstrahls auf den Spiegeln wird die Messstrecke auf mehr als acht Meter verlängert. Hier trifft Infrarotlicht auf die Gase, die einen spezifischen Teil des Lichts absorbieren.“ So wird die Konzentration eines Gases festgestellt.
Sick hat viel Erfahrung in der Messtechnik. „Doch die Herausforderungen der Schifffahrt waren neu für uns“, berichtet Brumm, der in der martitimen Welt bestens vernetzt und Mitglied in weltweit tätigen Gremien ist. Geräte auf Schiffen dürfen etwa den Brückenfunk nicht stören. Und: Der Einsatzort birgt Tücken: „Auf Schiffen gibt es Vibrationen, Wettereinflüsse, Seewasser und Abgase“, verdeutlicht Brumm. „Auch Wartung und Reparatur sind kompliziert, man kann nicht mal eben einen Servicetechniker vorbeischicken!“, ergänzt Lohner.
Große Nachfrage: Sick erweiterte dafür die Produktionskapazität
Um den Wartungsaufwand gering zu halten, entwickelte Sick unter anderem eine Pumpe ohne bewegliche Teile, die mit Druckluft arbeitet. Im Ernstfall muss die Abgas-Überwachungsanlage nach einer Stunde wieder funktionieren. „Das Gerät ist so konstruiert, dass ganze Module ausgetauscht werden können – das geht auch auf See“, so Brumm.
Die Nachfrage nach dem Gerät ist groß: Die Produktionsfläche im Überlinger Sick-Werk wurde verdoppelt, in Hamburg sogar eine neue Produktionslinie aufgebaut.
Brumm und Lohner können auch in ihrer Freizeit nicht von Schiffen und Booten lassen: „Ich segle und genieße die Ruhe“, verrät Brumm. Und Lohner, der in Überlingen arbeitet, entspannt gern am Bodensee.
Nach dem Germanistik- und Anglistik-Studium absolvierte Andrea Veyhle ein Volontariat und arbeitete für eine Agentur. Seit 2007 ist sie freiberuflich für verschiedene Verlage tätig. Für aktiv berichtet sie in Reportagen über die Chemie in Baden-Württemberg und stellt mit Porträts die vielseitigen Berufsbilder der Branche vor. Außerdem erklärt sie, wo uns chemische Produkte im Alltag begegnen. In ihrer Freizeit experimentiert sie gerne in der Küche, Kalorien strampelt sie auf dem Rennrad wieder ab.
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