Berlin. Wow, im Web gibt’s das Medikament viel günstiger als in der Apotheke – und sogar ohne Rezept, obwohl es doch verschreibungspflichtig ist …
Tja, da sollte die Alarmglocke im Kopf aber ganz laut klingeln!
„Rezeptpflichtige Medikamente wird man nicht über legale deutsche Onlineapotheken rezeptfrei bekommen“, sagt Dr. Ursula Sellerberg, Pressesprecherin beim Apothekerdachverband ABDA. „Die Rezeptpflicht dient dem Gesundheitsschutz des Patienten und ist nicht bloß eine Schikane.“
Die Echtheit von Medikamenten lässt sich schnell überprüfen
Sellerberg weiter: „Bestellungen in zugelassenen Onlineapotheken sind sicher, da in Deutschland nur die Apotheken einen Onlineverkauf anbieten dürfen, die auch eine niedergelassene Apotheke haben. Also immer auch das Impressum einer Homepage anschauen – und ob es die Apotheke zum Onlineshop auch wirklich gibt, kann man bei der Apothekerkammer des jeweiligen Landes nachfragen.“
Nun kann man aber auch bei Apotheken bestellen, die im Ausland sitzen. Dazu sollte man wissen: „Verschreibungspflichtige Medikamente müssen seit 2019 eine Verpackung haben, die nicht spurenlos geöffnet und wiederverschlossen werden kann“, sagt die ABDA-Expertin. „So wird sichergestellt, dass Manipulationen am Inhalt auffallen würden.“
Und wenn die ganze Schachtel gefälscht ist – oft so geschickt, dass es für Laien nicht zu erkennen ist? Apotheken prüfen ihre Medikamente per Secupharm-QR-Code: „Durch ihn wird jede Schachtel zu einem Einzelstück, Apotheker können damit sekundenschnell einen Abgleich machen, ob es sich um ein echtes Produkt handelt.“
Nahrungsergänzungmittel müssen amtlich gemeldet werden – aber viele Anbieter ignorieren das
Auch bei Nahrungsergänzungsmitteln sollte man sehr vorsichtig sein. Denn das sind rechtlich nicht etwa Medikamente! „Nahrungsergänzungmittel sind einfach Lebensmittel, die also nur den Lebensmittelbestimmungen unterliegen – wie ein Brot oder eine Gurke. Aber weil es sich um Konzentrate handelt, sind sie natürlich nicht so harmlos wie eine Gurke, gerade bei Überdosierung.“ So erklärt es Angela Clausen, Referentin für Lebensmittel im Gesundheitsmarkt bei der Verbraucherzentrale NRW.
Zudem seien die Hersteller zwar verpflichtet, ihre Produkte beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anzuzeigen. „Das tun aber bei Weitem nicht alle Anbieter“, warnt Clausen, „das haben wir bereits in mehreren Marktchecks herausgefunden. Je nach Produktgruppe sind ein Drittel bis die Hälfte der angebotenen Nahrungsergänzungsmittel nicht wie vorgeschrieben angezeigt.“
In vielen Nahrungsergänzungmitteln sind illegale Inhaltsstoffe zu finden
Immerhin: „In der Regel treten bei Vitaminpräparaten oder Mineralstoffen selten Probleme auf“, weiß die Expertin. „Diese kann man zwar schnell zu hoch dosieren, oder sie haben Wechselwirkungen mit Medikamenten, aber da ist in der Regel zumindest drin, was draufsteht.“ Problematisch dagegen seien vor allem Produkte für die Schlankheit oder für Sporttreibende, etwa sogenannte Fatburner. Ebenso Potenz- oder Libidomittel. Und praktisch alles, was als „rein pflanzlich“ oder „nur mit Pflanzenextrakten“ deklariert wird.
„Oft sind die Inhaltsstoffe dann zum Teil illegal“, so Clausen „und das kann lebensgefährlich werden.“ Etwa, wenn Schlankheitsmittel Stoffe wie Sibutramin und Phenolphthalein enthalten oder Männerprodukte den Viagra-Wirkstoff Sildenafil. Sogar harmlos klingende gemahlene Fischknorpel sind vor allem für Ältere nicht harmlos: „Das enthaltene Glucosamin hat Wechselwirkungen mit Blutgerinnungshemmern.“ Sogenannte ayurvedische Nahrungsergänzungsmittel wiederum enthalten laut Clausen unzulässigerweise immer wieder Schwermetalle wie Quecksilber, Arsen oder Blei: „Die lagern sich dann im Körper an. All das kann der Verbraucher nicht sehen, wenn er solche Pülverchen, Tropfen oder Tabletten im Netz bestellt. Man kann es den Produkten auch nicht ansehen. Man weiß nicht, was da wirklich drin ist, der Gesundheitsschutz ist nicht gewährleistet.“
Was aus dem Ausland kommt, ist schnell ein Fall für den Zoll – und dann drohen Strafen
Was viele Besteller auch nicht ahnen: Waren aus dem Ausland können vom Zoll beschlagnahmt werden. „Was im Ausland als Nahrungsergänzungsmittel gilt, kann bei uns in Deutschland als Arzneimittel eingestuft sein“, erklärt Clausen, „so etwas zu importieren, ist nicht zulässig.“ Es drohe also neben der Beschlagnahmung der Ware eine Strafe. „Wer große Mengen bestellt hat, dem drohen sogar empfindliche Strafen: Dann wird nämlich davon ausgegangen, dass die Bestellung nicht für den Eigenbedarf, sondern für den Verkauf gedacht war.“
Aussagen wie „wird aus der EU geliefert“ oder „keine Probleme beim Zoll“ bedeuten nach Auskunft der Expertin gerade nicht, dass die Produkte automatisch legal sind. „Meist bedeutet es nur, dass der Versender Möglichkeiten gefunden hat, den Zoll zu umgehen.“
Übrigens: Für die meisten Menschen hierzulande sind Nahrungsergänzungmittel eigentlich komplett überflüssig. „Wer aber tatsächlich einen Mangel zum Beispiel an gewissen Vitaminen hat, sollte sich lieber von seinem Arzt beraten lassen“, rät Clausen „und dann entsprechende Präparate mit der korrekten Dosierung einnehmen.“
Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.
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