Er ist einer der beliebtesten Brotaufstriche in Deutschland, süßt Tee und andere Lebensmittel und soll sogar Wunden heilen. Der Imker Gottfried Stecher aus Sachsen, Ernährungsexperte Carl Meißner aus Magdeburg und die Ärztin Angela Sänger aus Witten erklären, was wirklich hinter den häufigsten Behauptungen um den klebrigen Goldsaft steckt.
Mythos 1: Honig heilt Wunden
Das stimmt. „Die Zucker, Gluconsäure und Wasserstoffperoxid aus dem Honig wirken antibakteriell, die Pufferung der Entzündungsfaktoren hemmt Entzündungen“, bringt Sänger es auf den Punkt. Sie ist selbstständige Notärztin aus Witten (NRW), hat zum Thema Honig geforscht und ihre Doktorarbeit zum Thema „Honig heilt Wunden“ geschrieben „Die Unterstützung von Wundheilungen ist ein wachsendes Einsatzfeld in der Medizin.“
„Als Wundauflage bei chronisch entzündeten Wunden kann Honig seine Wirkung entfalten“, erklärt Sänger, die für diesen Zweck „echten deutschen Imkerhonig“ verwendet. Honig kann sogar von antibiotikaresistenten Bakterien verursachte Wunden heilen. „Leider lassen sich diese positiven Wirkungen des Honigs nicht verallgemeinern, wir müssen jeden Patienten einzeln betrachten und therapieren“, so die Ärztin.
Mythos 2: Honig spielt eine wichtige Rolle bei einer gesunden Ernährung
„Nein, das stimmt nicht. Honig ist ein köstliches Lebensmittel“, so Sänger. „Honig enthält laut Deutschem Imkerbund etwa 180 Inhaltsstoffe“, so die Ärztin. Das reiche von Mineralien wie Kupfer, Magnesium und Eisen über Flavonoide, Hydroxybenzoate und Wasserstoffperoxid bis hin zu den Vitaminen B1, B2 und C. „Diese Inhaltsstoffe sind gesund, aber nur in sehr geringen Mengen im Honig.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass Honig in der Ernährung eine große Rolle für die Gesundheit spielen könne, sei gering.
Mythos 3: Manuka-Honig ist ein Wunderstoff
Das ist allerdings eine große Übertreibung. Manuka-Honig aus Neuseeland, der durch seine Inhaltsstoffe stark antibakteriell wirkt, wird oft für medizinische Zwecke beworben. Überdies ist er teuer. Bei der medizinischen Aufbereitung sorgen eine Reihe von Verarbeitungsschritten bei diesem Honig allerdings für Probleme. Teilweise wird er ultrafiltriert, teilweise werden Zusätze beigegeben. Zusätzlich wird er Gammabestrahlt: „Medizinischer Manuka-Honig ist zwar antibakteriell und hochsteril, aber dafür auch zelltoxisch, er verursacht Schmerzen“ weiß Sänger. „Gerade bei chronischen Wunden sollte er nicht angewendet werden. Durch die starke Bearbeitung ist er per Definition kein Honig mehr."
Mythos 4: Honig ist ein medizinischer Alleskönner
Das könnte stimmen. „Den im Honig befindlichen Inhaltsstoffen wird eine vorbeugende Wirkung beispielsweise gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Zellschäden, Magen-Darm-Beschwerden und Krebs nachgesagt“, weiß die 51-jährige Sänger. Gesicherte wissenschaftliche Nachweise über solche Wirkungen gebe es jedoch nicht.
Mythos 5: Honig hilft gegen Erkältung
Honig gilt als erfolgreiches Hausmittel gegen Erkältungen. „Die positive Wirkung liegt aber nicht vorrangig an den Inhaltsstoffen des Honigs, wie oft gemutmaßt wird“, erklärt Meißner. Trinke man in warmem Tee oder Milch gelösten Honig, rege das durch die Befeuchtung der Schleimhäute den Speichelfluss an. „Dieser Effekt lindert die Beschwerden.“
Mythos 6: Honig ist nichts für Babys
Das ist korrekt. Da bei Verarbeitung und Abfüllung von Honig keine Wärme eingesetzt werden sollte, besteht die Möglichkeit, dass darin Bakteriensporen enthalten sind, die für Kinder unter einem Jahr mit ihrem noch wenig ausgeprägten körpereigenen Abwehrmechanismen gefährlich sind. „Beispielsweise betrifft das Bakterien namens Clostridium botulinum, die den sogenannten Säuglings-Botulismus auslösen können“, weiß Meißner. Diese Erkrankung sei in Deutschland zwar höchst selten, wegen der hohen Sterblichkeit aber gefährlich.
Mythos 7: Honig macht nicht dick
Das ist falsch. „Honig besteht aus einer Zucker-Mischung der Einfachzucker Glucose und Fructose sowie den Zweifachzuckern Maltose und Saccharose“, erklärt Carl Meißner, Oberarzt an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Magdeburg und Experte für Ernährung. Zucker im Übermaß setze sich im Körper an. Die Kalorienbilanz von Industriezucker und Honig ist ähnlich: „In 100 Gramm weißem Zucker stecken knapp 400 Kilokalorien, in der gleichen Menge Honig rund ein Viertel weniger. Das liegt am Wasser im Produkt“, so Meißner. „Da Honig aber aufgrund des höheren Fructoseanteils wesentlich süßer schmeckt, benötigt man zum Süßen von Speisen oder Getränken weniger und kann so Kalorien einsparen.“ Trotzdem gelte zur Balance der gesunden Ernährung, wer viel Honig isst, sollte sich viel bewegen.
Mythos 8: Bienen helfen gegen Corona
Schön wäre es ja… Ab Frühjahr 2020 machte das Ergebnis einer Studie aus China die Runde, wonach chinesische Imker immun gegen das Corona-Virus seien und nicht an Covid 19 erkrankten. Als Grund dafür wurde eine durch häufige Bienenstiche entstandene Immunität vermutet. Eine wissenschaftliche Studie unter deutschen Imkern widerlegte diese Annahme.
Mythos 9: Honig ist ein altbekanntes Lebensmittel
Richtig. Bienen sammeln Nektar, den zuckerhaltigen Saft von Blütenpflanzen, andere Pflanzensäfte und Honigtau. Im Bienenstock wird das bespeichelte Sammelgut vor allem durch Enzyme in einem komplexen und langwierigen Prozess in Honig umgewandelt. Übrigens: Unsere Vorfahren mussten sich diese Süßigkeit von wilden Bienenvölkern besorgen. Einen solchen Raubzug zeigt etwa eine um die 8000 Jahre alte Höhlenmalerei in den Cuevas de la Araña nahe Valencia (Spanien). Vor etwa 9000 Jahren soll in Anatolien Haltung und Zucht von Honigbienen durch Menschen begonnen haben.
Mythos 10: Honig ist auch heute ein natürliches Produkt
Das stimmt. Er wird ökologisch und nachhaltig produziert. „Laut der deutschen Honigverordnung ist es nicht gestattet, dem Honig organische (zum Beispiel Pollen) oder anorganische honigfremde Inhaltstoffe zuzusetzen oder zu entziehen, soweit das nicht unvermeidbar ist“, weiß Gottfried Stecher aus den sächsischen Wurzen. Er ist Beisitzer im Vorstand der Landesverband Sächsischer Imker und seit über sechs Jahrzehnten Imker.
Mit dem Kauf von Honig mit dem Warenzeichen ‚Echter Deutscher Honig‘ – ein Markenprodukt – ist man auf der sicheren Seite“, so Stecher. An den ausschließlich in Deutschland produzierten Honig würden noch höhere Qualitätsansprüche gestellt als gesetzlich vorgeschrieben. So dürfe etwa grundsätzlich nur 18 Prozent Wasser enthalten sein, im Unterschied zu sonstigen Honigen, bei denen diese Grenze 20 Prozent beträgt.
Mythos 11: Der deutsche Honig reicht nicht für den Honighunger der Deutschen
Richtig. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium erzeugen deutsche Imker je nach Ergiebigkeit der Ernte zwischen 20 bis 30 Prozent des Honigs, der im Land verzehrt wird. Der Ertrag im Jahr 2019 lag nach den Zahlen des Deutschen Imkerbunds bei 24.080.160 Kilogramm. Also muss Honig aus dem Ausland eingeführt werden.
Bei Importen greifen die Richtlinien der Europäischen Union, die hohe Qualitätsstandards festlegen. Es dürfen Chargen aus unterschiedlichen Ländern gemischt werden. „Das unterliegt aber einer Kennzeichnungspflicht“, erklärt Stecher. Auf dem Etikett sei dann „Mischung von Honig aus EU-Ländern“ oder „Mischung von Honig aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“ vermerkt.
Mythos 12: Honig ist Honig, da gibt es keine Unterschiede in den Honigsorten
Nein, das stimmt nicht. Denn Robinienhonig, Rapshonig oder Lindenhonig etwa sind Sortenhonige – und nur drei von einigen Dutzend möglichen Varianten. „Geschmack und Konsistenz ergeben sich aus der jeweiligen Nektarquelle“, weiß Stecher. Wobei Bienen in einer Apfelplantage auch den Löwenzahn nicht links liegen lassen. Handelsmarkenhonige sind oft Mischungen, deren typischer Geschmack sich aus einer speziellen Rezeptur ergibt. Es gibt cremigen Honig, festen, dünn- und dickflüssigen.
„Entscheidend für die Qualität des Honigs ist der Umgang des Imkers mit seinen Bienen und deren Nektarquelle“, weiß Honig-Experte Stecher. Der Flugradius von Bienen beträgt etwa zwei bis drei Kilometer. „Flächen, die etwa Pflanzenschutzmitteln, Pestiziden oder Insektiziden ausgesetzt sind, sollte man meiden.“ Der Imker plädiert für den Kauf regional hergestellten Honigs. Die Gründe: Kurze Transportwege, transparente Herstellung und die Bienen haben in der Region durch das Bestäuben die Landwirtschaft unterstützt.
Mythos 13: Menschen beuten Bienen aus
„Unsinn“, sagt Stecher. „Der Imker pflegt die Bienen so, dass das Bienenvolk überhaupt überleben kann. Ohne ihn ist in unserer Kulturlandschaft jedes Bienenvolk zum Untergang verurteilt.“ Imkerei bringe mit dem Honig und der Bestäubungsleistung in der Landwirtschaft einen großen wirtschaftlichen Ertrag. Honigbienen nehmen bedrohten Wildbienen auch nichts weg. „Pflanzen reagieren auf das Summen der Bienen und produzieren rasch mehr Nektar.“
Das grundsätzliche Problem sieht der Imker in der Art, wie intensive Landwirtschaft betrieben wird. Hoffnungsfroh stimmt ihn, dass das Umweltbewusstsein im Lande nachhaltig wächst. „Das sieht man auch an der stark steigenden Zahl der Imker, die bei rund 150.000 liegt“, so Stecher. 1990 waren es noch rund 100.000. Gut 95 Prozent der Imker machen das in ihrer Freizeit.
Mythos 14: Honig ist belastet
Bei Produkt-Tests werden immer wieder Honige identifiziert, die Rückstände aufweisen. Selbst bei Bio-Honig passiert das. Es können sich etwa Reste von Antibiotika aus der Bekämpfung des Bienenparasiten Varroa-Milbe finden oder des Bienenvertreibungsmittels Phenylacetaldehyd, das mancherorts während der Honigernte eingesetzt wird. Nachweisbar sind häufig auch Spuren von Pflanzenschutzmitteln.
Ist das gefährlich? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 2016 exemplarische Fälle von Rückständen in Honigen bewertet, die von einer Nichtregierungsorganisation gemessen wurden. Es kam zum Schluss, „dass ein gesundheitliches Risiko durch den Verzehr von Honig mit Rückständen in den berichteten Konzentrationen unwahrscheinlich ist“. In diesem Fall würden selbst beim Verzehr von Honigen mit den höchsten gemessenen Rückstandsgehalten die gültigen Referenzwerte für die entsprechenden Inhaltstoffe zu weniger als einem Prozent ausgeschöpft.
Auch Pollen aus gentechnisch veränderten Pflanzen lassen sich in Honig nachweisen. Für Gentechnik im Honig gilt nach EU-Recht keine Kennzeichnungspflicht. Allerdings gibt es bislang keinerlei wissenschaftlich haltbaren Nachweis, dass Pollen aus gentechnisch veränderten Pflanzen zu Beeinträchtigungen der Gesundheit beim Menschen führen könnte.