Die Hälfte der Flüchtlinge, die seit 2013 nach Deutschland kamen, geht nach Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) inzwischen einer Erwerbstätigkeit nach. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgt damit schneller als bei Migranten früherer Jahre, so die Autoren der Studie.

Zu verdanken ist dies unter anderem der Metall- und Elektro-Industrie (M+E). Sie gehörte schon 2015, als die Flüchtlingswelle begann, zu den Branchen, die tatkräftig bei der Integration halfen. Betriebe boten Praktika an, starteten Projekte und richteten Förderklassen ein. Mitarbeiter sammelten Geld und Sachspenden, besorgten Unterkünfte und begleiteten bei Behördengängen.

Initiative von Verband und Gewerkschaft

Und auch der Arbeitgeberverband Nordmetall engagierte sich. Er initiierte Qualifizierungsprojekte und legte gemeinsam mit der IG Metall einen Fonds zur Förderung von Hilfeleistungen auf.

Die Beschäftigten von Danfoss Power Solutions in Neumünster gehörte zu den Ersten, die halfen. Betriebsrätin Anja Stahr erinnert sich gut daran, wie sie 2015 jeden Tag auf dem Arbeitsweg an der Flüchtlingsunterkunft in Boostedt bei Neumünster vorbeifuhr. „Ich habe die Menschen dort gesehen und dachte: Wir müssen etwas tun.“

Viel Engagement gezeigt

Mit dieser Idee war sie nicht allein. Viele Kollegen wollten helfen, und auch die dänische Konzernspitze ermunterte den Standort, sich zu engagieren. So nahmen einige Mitarbeiter Kontakt zur Leitung der Unterkunft auf und boten Hilfe an. Der Anfang lief allerdings holprig. Anja Stahr: „Wir wollten Sprachunterricht geben, der leider aus organisatorischen Gründen nicht zustande kam.“

Doch die Danfoss-Aktiven ließen sich nicht entmutigen. Sie sammelten Geld, organisierten Ausflüge und halfen beim Ausbau einer Tischler- und Fahrradwerkstatt.

Nordmetall und IG Metall gaben Geld für einen Fonds

Dabei konnten sie auch auf Geld aus der Aktion „Mitmachen und engagieren: Metall hilft“ von Nordmetall und IG Metall zurückgreifen. Verband und Gewerkschaft hatten einen Fonds mit 60.000 Euro zur Unterstützung von Flüchtlingsprojekten im Norden aufgelegt, der bis 2019 rund 20 Initiativen förderte.

Abdul Karim Rezayi (22) aus Afghanistan begann 2015 ein Praktikum bei Danfoss. „Wir wollten erst mal sehen“, erinnert sich Ausbilder Frank Peters, „ob er handwerkliches Geschick hat und zu uns passt.“ Beides war der Fall, aber fehlende Deutsch- und Mathekenntnisse erschwerten den Einstieg.

Erst Praktikant, dann Azubi, jetzt Facharbeiter

Doch Abdul blieb am Ball, paukte Deutsch und startete 2016 als Auszubildender. Heute ist er der erste Flüchtling bei Danfoss Power Solutions, der die Abschlussprüfung zum Zerspanungsmechaniker erfolgreich abgeschlossen hat und als Facharbeiter angestellt ist.

Damit ist er ein gutes Vorbild für seinen Kollegen Mohamed „Mo“ Alqwefati. Der 19-jährige Syrer kam 2015 in Neumünster an, ging zwei Jahre zur Berufsfachschule und gelangte über einen Danfoss-Kollegen in Kontakt zum Betrieb. Heute ist er im zweiten Lehrjahr und spricht sehr gut Deutsch, auch dank einer deutschen Pflegemutter. Ausbilder Peters: „Als Mo zum ersten Mal Moin sagte, wusste ich, dass er bei uns angekommen ist.“

Kulturverständnis ist wichtig

„Wir haben schnell gemerkt, dass beide sich engagieren und integrieren wollen“, sagt Niels Maag, Direktor Operation Service und Verantwortlicher der Neumünsteraner Ausbildungswerkstatt. „Das muss auch sein, weil wir von der Qualifikation her keinen Unterschied bezüglich der Herkunft unserer Bewerber machen. Geflüchtete müssen die gleichen Leistungen bringen wie ihre deutschen Kollegen.“

Mo nickt: „Wenn die Firma etwas für mich tut, muss ich ihr auch etwas zurückgeben. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich Deutsch lernen und die Kultur verstehen muss, wenn ich akzeptiert werden will.“

Grundvoraussetzung: Deutschkenntnisse

Das sehen Ansumana Jammeh und Abdou Karim Diallo aus Gambia und Guinea ähnlich. Sie sind seit Ende 2014 in Deutschland und arbeiten heute als Zerspanungsmechaniker beim Bremer Industriearmaturenhersteller Gestra.

Auch bei ihnen war der Anfang eine echte Herausforderung. Vor allem die deutsche Sprache fiel ihnen schwer. Nach dem Besuch einer Integrations-Schulklasse und einem Praktikum im Unternehmen erhielten sie bei Gestra eine Lehrstelle.

Nachhilfelehrer engagiert

Ausbilder Andreas Rohde erzählt: „Wir haben uns für die beiden entschieden, weil wir merkten, dass sie die fachlichen Anforderungen schaffen und ins Team passen.“

Dennoch war der Aufwand für die Ausbilder höher als üblich. „Wir haben extra einen Nachhilfelehrer engagiert, der mit den Jungs Deutsch und Mathe übt“, berichtet Personalentwickler Carsten Schlegel. Der Erfolg blieb nicht aus, heute fühlen sich sowohl Ansumana als auch Abdou in Bremen rundum wohl.

Hoher Aufwand

Dazu tragen sie auch selbst bei. Abdou: „Ich habe hier in Norddeutschland drei neue Familien gefunden – meine Mentorin und ihren Mann, die DLRG-Mannschaft, in der ich Rettungsschwimmer bin, und die Kollegen bei Gestra.“

Gestra-Personaler Schlegel kann anderen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen empfehlen, Flüchtlinge aufzunehmen: „Der Aufwand ist allerdings höher als üblich. Mitunter muss man sich um Wohnungsmöglichkeiten kümmern, immer aber einen kurzen Draht zur Schule pflegen“, sagt er.

Fingerspitzengefühl und Sensibilität erforderlich

Wichtig sei, dass die Flüchtlinge eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis haben und sich bemühen, Deutsch zu lernen. Ausbilder Rohde ergänzt: „Man braucht auch Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Geflüchteten, die oft traumatische Erlebnisse durchgemacht haben. Deshalb sollte man eine gewisse Sensibilität mitbringen.“

Die Metall- und Elektro-Branche war sehr aktiv bei der Integration von Geflüchteten

In Hamburg haben der Arbeitgeberverband Nordmetall und die Agentur für Arbeit mit dem Bildungsträger Steep und Betrieben der M+E-Industrie schnell auf die große Flüchtlingswelle reagiert und schon 2016 das Projekt „Nordchance plus“ aufgelegt.

Nordmetall-Projekt hilft bei der Eingliederung

Die Weiterentwicklung des Angebots „Nordchance“, die seit 2008 in Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg förderungsbedürftigen jungen Leuten den Weg in eine Berufsausbildung ebnet, richtete sich speziell an Flüchtlinge.

In zwei Phasen wurden sie fit gemacht: Einer fünfmonatigen Aktivierungsphase, in der die Teilnehmer Deutsch, Mathematik und das nötige Fachvokabular lernen, folgt eine sechs- bis zwölfmonatige Einstiegsqualifizierung im Unternehmen.

Grenzen müssen überwunden werden

Inzwischen ist das Angebot wieder in der Nordchance integriert, das heißt, Flüchtlinge und deutsche Jugendliche lernen in Zwölfergruppen gemeinsam. „Ein guter Weg“, sagt Steep-Projektkoordinatorin Andrea Vogel, „da vor allem die Geflüchteten gefordert sind, Deutsch zu sprechen, und Grenzen zwischen Migranten und deutschen Jugendlichen überwunden werden können.“

Yonas Gebrezgabhier aus Eritrea ist einer dieser Nordchance-Teilnehmer. Der 20-Jährige lernt seit eineinhalb Jahren bei Philips Medical Systems in Hamburg den Beruf des Industriemechanikers.

Beide Seiten brauchen Durchhaltevermögen

„Yonas hat sich sehr bemüht, fleißig Deutsch gelernt und macht sich vor allem im praktischen Teil seiner Ausbildung gut“, lobt Ausbildungsleiter Norbert Rix und sagt: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er seine Ausbildung erfolgreich beenden wird.“

Das Unternehmen hat seit 2016 bereits mehreren Flüchtlingen eine Ausbildung ermöglicht, wenn auch nicht immer mit dem gewünschten Erfolg. „Einer hat beispielsweise nach zwei Jahren aufgehört“, sagt Rix. „Wir lassen uns aber von Fehlschlägen nicht entmutigen.“ Es sei nun mal viel Engagement und Durchhaltevermögen von beiden Seiten nötig.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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