Frankfurt. Die deutsche Wirtschaftsleistung wird 2023 um 0,1 Prozent schrumpfen – so der Internationale Währungsfonds in seinem jüngsten „World Economic Outlook“. Etwas optimistischer sind führende deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute: In ihrer neuen „Gemeinschaftsdiagnose“ prognostizieren sie ein Mini-Wachstum von 0,3 Prozent. Unsere Wirtschaft tritt also auf der Stelle. Vor diesem schwierigen Hintergrund haben sich die Tarifpartner auf einen neuen Tarifvertrag für die Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie geeinigt.

„Gemessen an der schwierigen Ausgangsbasis ist der Abschluss für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen ein Erfolg.“

Der Abschluss gelang in der fünften Verhandlungsrunde Mitte April nach rund 15-stündigen intensiven Gesprächen. Wie der Arbeitgeberverband HPV weiter mitteilt, werden die Tariflöhne um insgesamt 8,6 Prozent steigen, und zwar in drei Schritten: Am 1. September 2023 gibt es ein Plus von 5,1 Prozent, am 1. August 2024 steigen die Entgelte um weitere 2,1 Prozent, die dritte Erhöhung um 1,4 Prozent kommt am 1. Dezember 2024.

Außerdem gibt es insgesamt 2.000 Euro Inflationsausgleichsprämie, die allein die Betriebe bezahlen. Diese Sonderzahlungen sind steuer- und sozialabgabenfrei. Am 1. Mai 2023 und am 1. März 2024 gibt es jeweils 1.000 Euro „brutto für netto“. Auszubildende erhalten je 500 Euro. Teilzeitbeschäftigte bekommen die Prämie anteilig.

Die lange Laufzeit von 24 Monaten verschafft den Unternehmen Planungssicherheit

Der neue Tarifvertrag gilt (vorbehaltlich der schriftlichen Zustimmung der Tarifvertragsparteien) bis Ende Januar 2025. Er hat damit eine Laufzeit von 24 Monaten. „Gemessen an der schwierigen Ausgangsbasis ist der Tarifabschluss für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen ein Erfolg“, urteilt HPV-Verhandlungsführer Jürgen Peschel. „Die besondere Situation einer kurzfristig außergewöhnlichen Inflation und das schwierige wirtschaftliche Umfeld in einigen Teilbranchen bedingten diesmal besonders intensive Verhandlungen.“ Für die Arbeitgeber bedeute die lange Laufzeit in erster Linie Planungssicherheit: „In einem Umfeld multipler Krisen ist es wichtig, über eine Konstante zu verfügen, mit der die Unternehmen planen können.“

Die Inflationsausgleichsprämie geht auf Kosten der Firma

Der Staat hat den Tarifparteien 2022 ein neues Werkzeug zur Krisenbewältigung in die Hand gelegt: die Inflationsausgleichsprämie. Es gibt aber keinerlei Pflicht, eine solche Prämie zahlen! Wenn ein Unternehmen die Prämie ausbezahlt, stets voll auf eigene Kosten, dann bekommen die Beschäftigten dieses Geld steuer- und abgabenfrei. Höchstens 3.000 Euro pro Kopf können zum Beispiel per Tarifvertrag vereinbart werden. Die Prämie darf auch in Teilzahlungen fließen, wie es nun für die Papier- und Kunststoffverarbeitung vereinbart worden ist.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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