Hamminkeln. Wer mit Konrad Schröer unterwegs ist, muss gut zu Fuß sein. Der Chef des Textilunternehmens Setex in Dingden, einem Ortsteil der Stadt Hamminkeln, geht in schnellen, ausholenden Schritten voran: Vorwerk, Spinnerei, Kettfertigung, Weberei, Veredlung, Konfektion. Das volle Programm.
Und das ist inzwischen etwas Besonderes: „Wir sind der letzte wirklich vollstufige Betrieb in Deutschland“, sagt der 68-Jährige. Für Schröer ist das Verpflichtung und Herausforderung in einem - seit fast 30 Jahren.
Im Frühjahr 1990 vollzog der gelernte Industriekaufmann und Textiltechniker seine persönliche Wende: vom Verkaufsleiter eines angeschlagenen Textilbetriebs in Bocholt zum Chef des eigenen Unternehmens. „Zusammen mit meinem ehemaligen Kollegen Markus Enk habe ich damals Teile der Produktionsmaschinen übernommen.
Am 6. April um 12.00 Uhr wurde der alte Betrieb geschlossen, um 13.00 Uhr liefen 28 Webmaschinen wieder an, unter dem neuen Namen Setex. Am Anfang hatten wir 17 Mitarbeiter.“ Beim Neustart half eine Landesbürgschaft, abgesichert war das Wagnis auch mit Schröers Privatvermögen: „Wäre das Ganze danebengegangen, hätte ich kein Haus mehr gehabt.“
Fertigung in fünf Schichten, an sieben Tagen in der Woche
Aber der Unternehmer war überzeugt: Es kann sich auch in einem Hochlohnland wie Deutschland noch rentieren, Textilien zu produzieren – wenn die Bedingungen stimmen. Die wichtigste aus Schröers Sicht: „Die Maschinen müssen immer laufen, damit die Produktivität hoch genug ist.“
Schon Mitte der 90er Jahre stellten die Dingdener deshalb aufs Fünf-Schicht-System um. Heute arbeiten Teile der insgesamt 600 Mitarbeiter der Setex-Gruppe in fünf Schichten, sieben Tage die Woche. Setex fertigt speziell ausgerüstete technische Textilien, Heimtextilien sowie brandschutzgerechte Stoffe für Bühnen sowie Messe- und Event-Veranstaltungen.
Schröers Arbeitsmotto: Immer in Bewegung bleiben! Das gilt beim Investieren, bei der Produktentwicklung, bei den Arbeitszeiten. „Einige kommen da mit meinem Tempo und Temperament nicht zurecht“, gibt er zu.
Das Unternehmen aber profitierte von seiner Einstellung – und von der guten Konjunktur der Nachwendejahre. Die sorgte für das finanzielle Polster, um wachsen zu können. Auch durch Zukäufe von in Not geratenen Betrieben.
Zukäufe von in Not geratenen Unternehmen
Mittlerweile gehören sieben Unternehmen an sechs Standorten zur Setex-Gruppe. „Mit solchen Zukäufen wäre ich heute allerdings vorsichtiger“, betont Schröer. Denn seine grundsätzlich positive Sicht auf die Wettbewerbsfähigkeit des Textilstandorts Deutschland hat inzwischen einen Dämpfer erlitten. „Seit ungefähr drei Jahren kommen mir Zweifel“, sagt Schröer offen.
„Der Druck durch Billigimporte besonders aus Asien ist ungeheuer groß geworden. Hinzu kommen hohe Energie- und Lohnkosten hierzulande, die wir schultern müssen, sowie die strengen Umweltauflagen“
Aktuell machen zudem der Brexit und der Handelskonflikt zwischen den USA und China andere Unternehmen vorsichtig. Folge: „Unsere Lager sind voll, weil die Kunden mit Aufträgen abwarten. Die nächsten Monate werden also spannend“, so der Setex-Chef.
Ans Aufhören denkt Schröer, seit Kurzem Großvater, noch nicht. Allerdings möchte er kürzertreten. Er setzt auf die Innovationskraft der Branche, besonders bei technischen Textilien: Man müsse gemeinsam mit den Forschungsinstituten immer neue spezielle Produkte entwickeln. Das sei nötig, um sich von der Konkurrenz aus Asien nicht einholen zu lassen.
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich habe mit 14 eine Lehre zum Industriekaufmann gemacht und dann den Textiltechniker in der Abendschule.Später war ich Verkaufsleiter bei einem Textilunternehmen in Bocholt.
Was reizt Sie am meisten?
Verkauf und technische Herstellung von Textilien unter einen Hut zu bekommen. Das fasziniert mich. Denn nur, wer genau weiß, wie etwas hergestellt wird, kann es auch gut verkaufen.
Worauf kommt es an?
Mit neuen Produkten schnell am Markt sein – und innovativ bleiben.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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