Biberach/Riß. Wo andere Panik bekämen, ist er in seinem Element: In schwindelerregender Höhe klettert Thomas Otin auf einem Kran, vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen auf die schmalen Stahlträger des Auslegers. Unter ihm liegt die schwedische Stadt Uppsala. Oder auch San Francisco, Hongkong, Riad. Otin ist Servicetechniker für Turmdrehkrane, und sein Arbeitsplatz sind die Baustellen dieser Welt. „Die Aussicht ist oft genial“, sagt der 33-Jährige. „Das ist genau mein Ding.“

Der gebürtige Franzose ist fest angestellt bei Liebherr in Biberach. Das Unternehmen ist einer der weltgrößten Anbieter von Turmdrehkranen und hat seit der Erfindung des mobilen Turmdrehkrans 1949 rund 80.000 Exemplare produziert. Sie müssen auf- und abgebaut werden, es gibt Wartungen durchzuführen und Störungen zu beseitigen. Dann sind Thomas Otin und seine Kollegen am Start.

Laut einer Umfrage unter deutschen Geschäftsreisenden zwischen 25 und 45 Jahren wünscht sich knapp ein Viertel noch mehr Möglichkeiten, für den Job auf Reisen zu gehen. Auch Otin zieht es immer wieder in die Ferne. Und nach oben! Als Kind träumte er davon, Achterbahnen zu bauen. „Die Höhe hat mich schon immer gereizt“, erzählt er beim aktiv-Besuch im Liebherr-Werk in Biberach, wo rund 1.500 Leute arbeiten. Er besuchte eine Technikerschule und arbeitete später für Liebherr in Frankreich. Doch er war nur für bestimmte Kranmodelle zuständig, bald wurde es langweilig.

Er ist weltweit für Liebherr im Einsatz

Bei Schulungen in Biberach kam er auf die Idee, sich hier als Servicetechniker zu bewerben: Am Standort wird eines der breitesten Turmdrehkran-Programme der Welt gefertigt. Liebherr baut insgesamt 50 verschiedene Modelle – von anderen Kransystemen ganz zu schweigen. Otin beschreibt mit französischem Akzent: „Hier geht es um die ganze Palette der Krane, und man kann viel reisen. Einfach aufregend!“ Also brach der Franzose seine Zelte in den heimischen Vogesen ab und wanderte nach Oberschwaben aus.

Das war vor elf Jahren. Inzwischen hat er mit einer Deutschen eine Tochter, zwei Jahre alt. Wenn sie mit Mama einen Kran sieht, ruft sie aufgeregt: „Papa, Papa!“ Otin ist natürlich froh, wenn zwischen den Auslandseinsätzen Familienzeit angesagt ist. Etwa die Hälfte der Arbeitszeit verbringt er in Biberach, dann baut er Prototypen auf, führt Reparaturen durch, erledigt Büroarbeiten oder nimmt an Schulungen teil, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Pro Jahr werden im Training-Center in Biberach rund 1.000 Techniker aus aller Welt geschult. Eines der obersten Ziele: Sicherheit auf den Baustellen.

„Routine ist nichts für mich. Ich brauche es, immer mal neue Orte zu sehen“

Aufs Reisen ganz zu verzichten, das kann Otin sich schwer vorstellen: „Routine ist nichts für mich“, sagt er. „Ich brauche es, immer mal neue Orte zu sehen.“ Erst vor Kurzem ist er aus Schweden zurückgekehrt. In Uppsala ging es um die Sanierung eines Kirchturms. Gesichert sind die Servicetechniker stets mit einem Gurt, wenn sie in der Höhe zum Beispiel Schalter und Sensoren kontrollieren oder Teile auswechseln. „Jeder Griff muss sitzen“, erklärt der 33-Jährige. „Wenn man abstürzt, gibt es keine zweite Chance.“ Auch Werkzeug darf auf keinen Fall in die Tiefe fallen.

Und natürlich sind die Einsätze nicht immer nur schön, sondern oft auch schwierig. „Ich war zweimal für vier Monate in Riad, Saudi-Arabien“, erzählt Otin. „Irgendwann kann man den Wüstensand nicht mehr sehen und freut sich auf zu Hause.“

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Die Höhe hat mich schon immer gereizt. Als Kind wollte ich später mal Achterbahnen bauen. Ich habe eine Technikerschule gemacht und bin bei Liebherr gelandet.

Worauf kommt es an?

Man muss in großer Höhe sehr sorgfältig und konzentriert arbeiten. Sicherheit ist das Wichtigste bei meiner Arbeit.

Was reizt Sie am meisten?

Das Reisen und die Abwechslung! Das ist genau mein Ding.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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