Sie kamen über Libyen und das Mittelmeer aus Eritrea wie Timo Seyum. Sie nahmen die Balkanroute über die Türkei und Griechenland wie Aboubakar Fofana aus Guinea oder Ahmed Hussin aus Syrien. Jugendliche, die Heimat und Familie verließen und sich auf den oft mehrjährigen Weg in eine bessere Zukunft machten.

890.000 Asylbewerber kamen allein 2015 nach Deutschland – es war der Höhepunkt des Flüchtlingszustroms. Heute zeigt sich: Viele haben es geschafft. 250.000 Geflüchtete aus den acht größten außereuropäischen Asyl-Herkunftsländern haben inzwischen Arbeit. Dazu kommen Zehntausende Auszubildende und Praktikanten sowie Menschen, die sich in einer Einstiegsqualifizierung befinden.

Der Märkische Arbeitgeberverband hat seinen Teil dazu beizutragen. Initiiert vom Vorsitzenden Horst-Werner Maier-Hunke und in Kooperation mit verschiedenen Partnern erhielten zwischen 2016 und 2018 an die 200 Teilnehmer in 13 Projekten einen Grundlehrgang in der Metallbearbeitung, zusätzlichen Deutschunterricht und ein Praktikum. Märkischaktiv hat drei von ihnen besucht, stellvertretend für viele.

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Familienvater schafft Einser-Abschluss – und arbeitet bei Schraubenfirma SPAX in Gevelsberg

Aboubakar Fofana hat schnell seine Chance erkannt. Schon bei der Vorstellung des Projekts im EN-Kreis 2017 war er als einziger Teilnehmer da, zuverlässig, zielgerichtet. Das zeichnete ihn auch aus, als er sein Praktikum bei SPAX in Gevelsberg machte, dort in die Einstiegsqualifizierung und dann in die Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer wechselte. Den angestrebten Einser-Abschluss hat er geschafft. „Ich war sehr zufrieden“, strahlt der 25-Jährige. Jetzt hält er in der Produktion bei SPAX sechs Anlagen am Laufen, die nonstop Schrauben produzieren. „Es ist der richtige Weg gewesen“, blickt er zurück: „Ich habe viel gelernt, viel Spaß gehabt und einen festen Platz gefunden.“ Auch privat: Im Sommer 2018 hat er geheiratet, Anfang des Jahres ist er Vater geworden – zeitgleich mit seiner Abschlussprüfung.

Top-Azubi wurde 2019 von der Metallfirma Burgtec in Iserlohn übernommen

In der Theorie eine Eins plus, im praktischen Teil 96 Prozent – viel besser wäre es für Ahmed Hussin nicht gegangen. „Er hat das super gemacht“, sagt Volker Burghoff, Chef der Firma Burgtec in Iserlohn. Der junge Syrer ist dort zum Maschinen- und Anlagenführer ausgebildet und im Mai 2019 übernommen worden. Er beherrscht die Anlagen, die präzise Dreh- und Frästeile für verschiedene Branchen produzieren. „Es ist sehr abwechslungsreich“, so der 23-Jährige. Er möchte jetzt erst einmal arbeiten und sich eine Basis schaffen. Mit seinem Deutsch ist er noch nicht so zufrieden – eine subjektive Meinung. „Er hat sich da sehr hintergeklemmt und zusätzliche Deutschkurse belegt“, erinnert sich sein Vorgesetzter Frank Koch. „Er ist sehr lernbegierig, fragt viel und ist super vorangekommen.“ Einer der Besten, bestätigt Volker Burghoff.

In der Vorfertigung von thyssenkrupp Bilstein untergekommen

„Ohne Sprache kann man nichts werden“, sagt auch Timo Seyum. Ohne ein Wort Deutsch kam er an, lernte es am Hagener Berufskolleg, an der VHS und später dann in Kursen täglich von 14 bis 18 Uhr, nach Feierabend. Da machte er schon bei thyssenkrupp Bilstein in Ennepetal eine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik. „Das waren lange Tage für ihn, aber es hat ihn richtig nach vorn gebracht“ lobt Ausbilder Ulrich Schmelter. Mit einer guten Zwei hat der 24-Jährige seine Ausbildung abgeschlossen. „Das habe ich nicht erwartet“, meint er.

Die Arbeit jetzt in der Vorfertigung macht ihm Spaß, er fühlt sich wohl im Betrieb. Und auch privat. Eine deutsche Familie habe ihm viel geholfen, sagt er. Seine eigene hat er zehn Jahre nicht gesehen. Zurück kann er nicht. Er ist vor dem Zwang zum unbegrenzten Militärdienst geflohen. Jetzt hofft er auf eine Zukunft bei thyssenkrupp Bilstein.

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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