Düsseldorf. Weniger Auswahl, dafür teurere Waren: Daran erkennt man edle Boutiquen. Aktuell trifft die Beschreibung auch auf viele Supermärkte zu. Zum einen, weil sich Nahrungsmittel binnen eines Jahres um etwa ein Fünftel verteuert haben – so Zahlen des Statistischen Bundesamts. Zum anderen, weil viele Läden die Markenartikel von Konzernen wie Mars oder Pepsi schon gar nicht mehr führen, weil sie deren Preiserhöhungen nicht mitgehen wollen.

Die Teuerungsrate bei den Lebensmitteln – 17,2 Prozent im April – liegt deutlich über der Inflationsrate insgesamt, die zuletzt 7,2 Prozent betrug (Tendenz: weiter sinkend). Wobei die Zahlen des Statistikamts Durchschnittswerte sind, in die auch die Preise von Wochenmärkten und Fachgeschäften einfließen. „Speziell im Supermarkt ist die Teuerung oft krasser“, sagt Frank Waskow von der Verbraucherzentrale NRW. Sein Team verglich Ende März stichprobenartig Preise für 20 Nahrungsmittel in Filialen von vier großen Einzelhändlern. Ergebnis: Am Testtag kostete Sahne in NRW 46 Prozent, Paprika 66 Prozent, Weizenmehl sogar 71 Prozent mehr als im März 2022.

Ökonomen bezweifeln, dass allein die Krise schuld ist

35 Prozent teuer waren Milchprodukte im März 2023 im Vergleich zum März 2022

(Quelle: Marktcheck VZ NRW)

Ein Auslöser der Preisexplosion ist letztlich Russlands Angriff auf die Ukraine. Wegen der zeitweise stark gestiegenen Energiekosten zahlte der Handel höhere Einkaufspreise, kriegsbedingt kommen weniger Getreide und Öl auf dem Markt, Düngemittel ist teurer geworden. Bei Obst und Gemüse wiederum sind hitzebedingte Ernteausfälle der Hauptgrund für die aktuell so hohen Preise.

Ökonomen nennen aber noch weitere Ursachen für die Lebensmittel-Teuerung. „Die höheren Beschaffungspreise sind nicht der alleinige Grund“, sagt Professor Joachim Ragnitz. Zumindest für den Preisanstieg im Jahr 2022 kann der Ifo-Forscher belegen, dass „einige Unternehmen den Kostenschub auch als Vorwand dafür nehmen, ihre Gewinnsituation zu verbessern“ – in der Landwirtschaft wie auch im Einzelhandel.

Aus Sicht des Wettbewerbsökonomen Rainer Lademann wiederum dreht vor allem der Handel am Preis: Rund ein Drittel der Inflation bei den Nahrungsmitteln rühre daher, dass die vier großen Ketten ihre Marktmacht zur Preissetzung nutzen. Die Umsätze sind jedenfalls gestiegen: Bei Edeka etwa legte das Geschäft im Vorjahr um 5,6 Prozent zu, bei Rewe um 6,8 Prozent.

Händler verweisen auf die Macht der Markenartikler

Den Vorwurf der Preistreiberei weisen die Händler selbst allerdings zurück. Schuld an der Misere sei vielmehr die „Gier der internationalen Markenartikler“, sagt Edeka-Chef Markus Mosa. Das legt auch eine Analyse des Versicherers Allianz Trade nahe, die etwa den Herstellern von Milchprodukten „übermäßige Gewinnmitnahmen“ vorwirft.

Wer auch immer an der Preisschraube dreht – man kann gegenhalten. „Verbraucher können sich durch Vergleichen schützen“, betont Experte Waskow. Im Marktcheck gab es bei 15 von 20 Lebensmitteln Preisunterschiede von mehr als 100 Prozent! Genau hingucken lohnt sich also mehr denn je.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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