Viele Firmen gehen neue Wege, um Fachkräfte anzuwerben. Besonders kreativ ist Howmet Aerospace in Hildesheim: Weil der Luftfahrtzulieferer relativ unbekannt und leicht versteckt in einem Industriegebiet zu Hause ist, präsentiert er seine Jobs nun da, wo die Menschen der Domstadt sich tummeln: mitten in der City, am Marktplatz, zwischen Eisladen und Uhrengeschäft. In einem „Talent-Store“, der neugierig machen soll auf einen Job bei dem M+E-Unternehmen.

„Ein bisschen ungewöhnlich für eine Firma, die Schrauben herstellt“, sagt Geschäftsführer Sascha Kleine. Auch in der Zentrale des US-Mutterkonzerns kannte man diese ausgefallene Idee noch nicht. „Wir sind im Konzern weltweit die Ersten“, sagt Kleine. Doch der Erfolg gibt den Hildesheimern recht: Schon am Eröffnungstag kamen elf ernsthafte Interessenten für eine Stelle in der Firma in den Laden. „Die hatten zum Teil direkt ihre Lebensläufe dabei“, erinnert sich Howmet-Sprecherin Christine Eikermann.

Dabei will das Unternehmen genau diesen Effekt erreichen. Howmet Aerospace hat zunächst für ein Jahr die Räume eines früheren Küchengeschäfts gemietet und darin den „Talent-Store“ eingerichtet, wie die Firma die neue Anlaufstelle nennt: Zwischen zwei alten Flugzeugsitzen und einem modernen Arbeitsroboter finden potenzielle Bewerber hier Ansprechpartner und bekommen Einblicke in die Arbeit und die Geschichte des Unternehmens. Im ersten Stock, wo früher eine Kochschule war, gibt es einen Konferenzraum, der für Workshops genutzt wird.

Howmet Aerospace profitiert vom Auftragsboom bei Airbus

„Die Idee zu dem Laden ist im Team entstanden – und ich bin immer offen dafür, neue Wege auszuprobieren“, sagt Geschäftsführer Kleine. Der gebürtige Rheinländer hat acht Jahre in Kalifornien gelebt und fand dort auch zu Howmet Aerospace. Seit März ist er nun für den Standort Hildesheim verantwortlich und samt Familie nach Niedersachsen gezogen.

Eine gute Phase für einen Neuanfang, denn Howmet Aerospace erlebt gerade einen Aufschwung: Die Niedersachsen liefern mehr als drei Viertel ihrer Produkte an den Flugzeug-Hersteller Airbus, und der verzeichnet nach dem Ende der Coronapandemie einen Auftragsboom. In diesem Sog wächst auch Howmet Aerospace mit. „Der Januar war der profitabelste Monat in der 40-jährigen Geschichte hier“, berichtet Kleine.

Mit der guten Auftragslage steigt auch der Bedarf an neuen Beschäftigten. Für die Fachkräftesuche biete der neue Laden dem Unternehmen eine gute Plattform, sagt der 42-Jährige: „Wir wollen sichtbarer werden.“ Zwar sei die Firma seit 40 Jahren in Hildesheim aktiv. Doch durch wiederholte Namenswechsel – VSD Diessel, Fairchild, Alcoa, Arconic und seit 2020 eben Howmet Aerospace – habe die Wiedererkennung gelitten.

Der Konzern Howmet Aerospace will nahbar sein – wie ein Familienunternehmen

Seit seiner Eröffnung im Februar ist der Store zwei- bis dreimal pro Woche geöffnet. Mitarbeiter sprechen Passanten auf der Straße an, ob sie mit ihrem derzeitigen Job zufrieden sind oder sich einen Wechsel vorstellen könnten. „Dabei erzählen unsere Beschäftigten ihre persönliche Story“, sagt Geschäftsführer Kleine, der darüber auch die Stärken der Firma vermitteln will. „Wir wollen ein nahbares Unternehmen sein. Zwar gehören wir zu einem großen Konzern, aber hier am Standort sind wir fast wie ein Familienunternehmen.“

200 Beschäftigte hat Howmet in Hildesheim aktuell. Den Abbau von 70 Stellen zu Beginn der Pandemie hat die Firma wieder ausgeglichen. Mindestens 20 Mitarbeiter werden noch gesucht – jetzt auch im Stadtzentrum.

Das Unternehmen

  • Howmet Aerospace ist ein US-Technologiekonzern mit Sitz in Pittsburgh, der vor allem für die Luft- und Raumfahrt-Industrie arbeitet.
  • Bevor der Standort Hildesheim Teil des Konzerns wurde, war er unter seinen früheren Namen wie Alcoa oder Arconic bekannt.
  • Heute produzieren dort aktuell 200 Beschäftigte hochfeste Verbindungselemente und Schrauben aus Titan- und Stahllegierungen.
  • Die Teile kommen unter anderem in Flugzeugen von Airbus zum Einsatz. Da der Hamburger Luftfahrt-Riese aktuell viele Bestellungen abzuarbeiten hat, kommt auch auf Zulieferer wie Howmet Aerospace derzeit viel Arbeit zu.
Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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