Der Auftakt zu Tarifverhandlungen in Deutschland folgt seit vielen Jahren einem gewissen Ritual: Die Gewerkschaft mobilisiert auf Straßen und Plätzen, verleiht ihren Forderungen lautstark Ausdruck und demonstriert ihre Kampfbereitschaft. So auch diesmal: „8 Prozent oder die Hütte brennt“ tönte es in Bremen.

Die Reaktionen der Arbeitgeber folgen oft einem ähnlich gleichen Muster: Sie verweisen auf die aktuelle Krisenlage, die schlechte Konjunktur und das hohe Lohnniveau und warnen vor neuen Belastungen und Standortverlagerungen.

Klartext ohne Maximalforderungen

Und doch gestaltete sich der diesjährige Auftakt im Norden etwas anders, zumindest hinter verschlossenen Türen: Mitte September trafen sich die Tarifkommissionen von Nordmetall und IG Metall Küste an der Weser und redeten Klartext – ohne langatmige Sprechzettel, trockene Zahlenkolonnen und Wiederholung von Maximalforderungen. Stattdessen war allen klar: Diese Krise ist so einzigartig, dass sie eine neue Diskursform nötig macht.

Unternehmer berichteten ausführlich von den drastischen Kostensteigerungen für Material und Energie. Betriebsräte erzählten nicht nur von der Furcht vieler Kollegen vor explodierenden Heizkosten daheim, sondern auch von der Sorge um den Fortbestand mancher Betriebe.

Sorge um die Zukunft der Metall- und Elektro-Industrie

Es lag Gemeinsamkeit in der Luft, sozialpartnerschaftliche Sorge um die Zukunft der norddeutschen Metall- und Elektro-Industrie und ein Verantwortungsbewusstsein, den Betrieben und ihren Beschäftigten in dieser schwierigen Phase nach Kräften beistehen zu müssen. Diesen Geist sollten Nordmetall und IG Metall Küste weitertragen in die nächste Verhandlungsrunde.

Es geht darum, einen Abschluss zu erreichen, der die unterschiedliche Lage der Firmen berücksichtigt. Der bei Lieferproblemen ein Herunterfahren des Arbeitsvolumens ebenso ermöglicht wie ein Hochfahren, wenn das Material kommt und die Aufträge schnellstmöglich abgearbeitet werden müssen. Der einen Beitrag leistet, Einkommen und Arbeitsplätze der Beschäftigten zu stabilisieren. Zusammen nach vorn – nie galt dieses Motto mehr als in diesem Krisenherbst 2022.