Leipzig. Für die Banken läuft es gerade wirklich nicht gut... Erst stellt der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass viele Gebührenerhöhungen der letzten Jahre nicht rechtmäßig erfolgt sind. Dann stehen die Kreditinstitute in der Kritik wegen der Erhebung von „Negativzinsen“ auch von privaten Sparern. Und nun hat erneut der BGH entschieden, dass vielen Kleinanlegern zu Unrecht sehr viele Zinsen vorenthalten worden sind!

Und vor allem für Sparkassen dürfte dieses neue Urteil des Bundesgerichtshofs sehr teuer werden: Höchstrichterlich ist nun in einem Musterfeststellungsverfahren der Streit um Prämiensparverträge entschieden (Urteil vom 6. Oktober 2021, Aktenzeichen XI ZR 234/20). Beim sogenannten Prämiensparen geht es um Sparbücher, Sparverträge oder auch Riester-Banksparpläne mit fester Sparrate, bei denen man außer den Zinsen eine jährliche Prämie erhält, die nach der Laufzeit gestaffelt ist.

Zinsanpassungen haben die Prämiensparer meistens benachteiligt – es geht oft um ein paar Tausend Euro!

„Diese Sparform war besonders in den 1990er und 2000er Jahren sehr beliebt“, erklärt Andrea Heyer, Juristin bei der Verbraucherzentrale Sachsen, „viele dieser Verträge haben sehr lange Laufzeiten erreicht.“

Moniert haben die Bundesrichter eine Zinsklausel, „die nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist“. Die im Musterfall beklagte Sparkasse Leipzig habe sich das „Recht zur Änderung nach Gutsherrenart durch Aushang im Schalterraum ausbedungen“. Die Parameter, die zu Zinsänderungen führen, müssten aber so angegeben werden, dass sie für Kunden nachvollziehbar sind. Als Maßstab müsse ein langfristiger Referenzzinssatz der Bundesbank dienen. Zudem dürfe sich der „anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz“ nicht ändern.

Weil die Klausel ungültig ist, waren die Zinsanpassungen rechtswidrig – und diese haben laut Heyer die Kunden regelmäßig benachteiligt. Folge: „Nach unserer Einschätzung stehen betroffenen Sparern im Schnitt 3.600 Euro nachträglich zu.“ Im Einzelfall hänge das aber vom Datum des Vertragsabschlusses, von der Laufzeit und von der monatlichen Sparrate ab.

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Viele Banken wehren sich noch gegen eine amtliche Verfügung der Bafin in Sachen Prämiensparen

Das Urteil hat jedenfalls bundesweite Signalwirkung, wie die Expertin betont. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz Bafin) steht auf Seiten der Verbraucher. Sie hat schon im Juni eine sogenannte Allgemeinverfügung erlassen, die die Banken dazu verpflichtet, ihre Kunden über die unwirksame Klausel aufzuklären und eine Nachberechnung oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anzubieten. Aber da mehr als 1.000 Kreditinstitute Widerspruch gegen diese Verfügung eingelegt haben und ihr deshalb noch nicht folgen müssen, sollten Prämiensparer jetzt prüfen, ob sie einen Sparvertrag mit einer möglicherweise ungültigen Zinsklausel abgeschlossen haben.

„Jeder Prämiensparer sollte zunächst selbst schauen, ob es sich um einen Sparvertrag mit variabler Grundverzinsung und einer Prämienstaffel handelt“, rät Heyer. Ist das der Fall, sollte man prüfen, ob der Vertrag tatsächlich eine ungültige Zinsklausel enthält. Die Verbraucherzentralen bieten als Hilfestellung eine – nicht zwingend vollständige – Liste der Kreditinstitute an, die die Klausel verwendet haben.

Achtung: Bestimmte Fälle verjähren schon am Jahreswechsel

Den potenziellen persönlichen Schaden zu beziffern, ist für Laien allerdings kaum möglich. Helfen können zum Beispiel die Verbraucherzentralen. Ergibt sich ein nennenswerter Nachzahlungsanspruch, sollte dieser bald geltend gemacht werden, rät die Juristin, und zwar mit Bezug auf das erwähnte Urteil. „Besondere Eile besteht für alle Betroffenen, deren Vertrag 2018 gekündigt wurde, da hier die Verjährung zum 1. Januar 2022 droht“, sagt Heyer. Wenn der Prämiensparvertrag noch laufe, könne man sich Zeit lassen.

Manche Sparkassen kämen ihren Kunden entgegen und seien zu außergerichtlichen Einigungen bereit, berichtet sie. Sei das nicht der Fall, helfe nur die Klage. Heyers Tipp: „Ist schon eine passende Musterfeststellungsklage anhängig, können sich Verbraucher dort anschließen, ohne damit ein eigenes Prozesskostenrisiko einzugehen.“ Ansonsten bliebe die persönliche Individualklage – deren Erfolgschancen sich aber mit dem BGH-Urteil noch einmal deutlich erhöht hätten.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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