Bielefeld. Der entscheidende Moment kam für Janette Nothnagel im Mai letzten Jahres – mit einer Frage an sich selbst: „Willst du das jetzt echt machen?!“ Da stand sie, schon triefend vor Dreck und verschwitzt, vor einem Becken voller Schmodderwasser - sprang rein und tauchte unter …

Alles was recht ist: Das erwartet man wohl kaum von einer Anwältin. Normalerweise beschäftigt sich die 40-Jährige mit Arbeits- und Zivilrecht, prüft als Unternehmensjuristin Verträge für den Hemdenspezialisten Seidensticker in Bielefeld.

In ihrer Freizeit ist sie jedoch weniger klassisch unterwegs: querfeldein, als „Mud Runner“ – was auf Deutsch so viel heißt wie Schlamm-Läufer. „Eigentlich war das eine Schnapsidee, die auf einer Familienfeier entstand“, erinnert sich Nothnagel. Ernst wurde es für die sportliche Mutter eines Jungen dann im vergangenen Jahr: Sie lief ihre ersten beiden Hindernisstrecken, in Bad Hönningen (Rheinland-Pfalz) und im sauerländischen Arnsberg, jeweils zusammen in einem Team mit anderen Mud Runnern.

Gemeinsam Hindernisse bewältigen – das macht den Reiz dieses Hobbys aus

„Ich wollte das unbedingt schaffen, bevor ich 40 wurde“, sagt sie im Rückblick. In Arnsberg lief sie beim „Tough Mudder“ elf Kilometer durch raues Gelände, durchwatete Schlammbäder, erklomm Wände per Räuberleiter, durchtauchte beim Xletix in Bad Hönnigen Wannen voll Eiswasser und hangelte sich Netze empor, die von Baum zu Baum gespannt waren.

„Nicht Topleistung ist da entscheidend – es geht eher darum, gemeinsam etwas zu schaffen“

, sagt die Läuferin über ihren Sport mit Spaßfaktor.

Auch im Job ist bei ihr Teamarbeit angesagt. „Wenn ich komplizierte Fälle zu prüfen habe, kann ich jederzeit auf die Hilfe meiner Kollegen setzen, um juristische Hürden zu überwinden“, so Nothnagel.

Für das Querfeldein-Laufen trainiert sie nun wieder regelmäßig, zwei- bis dreimal wöchentlich. Zeit ist für sie oft knapp, normal bei einer voll berufstätigen Mutter. Aber diese Zeit nimmt sie sich: Sport ist ja auch ein wichtiger Ausgleich für die Arbeit am Schreibtisch.

„Die Saison für solche Läufe beginnt jetzt im Frühjahr und endet erst im Herbst.“ Zur Vorbereitung hat sie einen Matschlauf-Kursus der örtlichen Volkshochschule absolviert: „Ich bin jeden Samstag mit den Kursteilnehmern gelaufen und habe unterschiedliche Situationen durchgespielt. Es gilt ja, den inneren Schweinehund zu überwinden.“

Manche Mud Runner laufen im rosa Tütü oder im Arztkittel

Sie trainierte also mit durchnässten Laufschuhen und verdreckter Sportkleidung. Oder sie schleppte einen dicken Ast mit, um mehr Kraft in Armen und Oberkörper aufzubauen.

So anstrengend die Sache auch ist, bei den Lauf-Events steht dann doch der Spaß und die gemeinsame Erfahrung im Vordergrund. Jeder, der mitmacht und ins Ziel kommt, hat gewonnen! Deshalb gibt es auch keine Zeiterfassung. Frauen und Männer laufen zusammen, durchschwimmen, erklimmen und erhangeln gemeinsam alle Hindernisse. „Da kommt ein bunte Truppe zusammen, man nimmt die Herausforderung mehr oder weniger ernst“, sagt die Juristin. Das führt dann zu denkwürdigen Begegnungen: Beim „Tough Mudder“ etwa traf sie einen Läufer im rosa Tütü, ein anderer Teilnehmer lief im Arztkittel.

Mittlerweile hat die Hindernisläuferin ihre Familie mit dem Mud-Runner-Virus angesteckt. Im Mai wird sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn (8) einen Mud-Master-Family-Lauf in Weeze nahe der niederländischen Grenze laufen.

Der Junge hat echt Glück! Endlich mal eine Mama, die nicht ausflippt, wenn der Filius verdreckt wie ein kleines Schweinchen nach Hause kommt…

Nachgefragt:

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Nach dem Jura-Studium in Bielefeld und Referendariat in Paderborn kam ich vor zehn Jahren in die Rechtsabteilung von Seidensticker.

Was reizt Sie am meisten?

Auch bei komplizierten Verträgen immer für beide Seiten das Beste herauszuholen, sodass alle Beteiligten zufrieden sind. Das funktioniert natürlich nicht immer.

Worauf kommt es an?

Im Job wie beim Laufen: Ausdauer beweisen – und sich auf ein gutes Team verlassen können!

Trend-Sport: Joggen über Stock und Stein

  • 22.000.000 Deutsche laufen durch Wald und Gelände
  • 1.500 Trimm-dich-Pfade laden zum Outdoor-Training ein
  • 14.000 Teilnehmer hatte Europas größter Hindernislauf in der Lüneburger Heide

Quelle: DLV

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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