Bad Köstritz. Das Metall der Apparaturen und der Rohrleitungen glänzt noch, die Motoren der Mischer brummen gleichmäßig: Chemikantin Julia Rauch kann ihrem Chef nur Gutes berichten. Die neue Anlage zur Herstellung von Schwefelverbindungen im Chemiewerk Bad Köstritz (CWK) arbeitet genau so, wie sie soll.
„Wir haben die Anlage in diesem Frühjahr in Betrieb genommen“, erklärt Lars Böttcher, der 44-jährige Geschäftsführer, ein promovierter Chemiker. „Wir haben investiert, um die hohe Nachfrage verlässlich bedienen zu können und um das Herstellungsverfahren auf den Stand der Technik zu bringen.“
In dem Betrieb im Osten Thüringens werden verschiedene Substanzen hergestellt: Thiosulfate – wichtige Ausgangsstoffe beispielsweise für die Produktion schwefelhaltiger Dünger. Oder auch zur Abwasser- und Abgasbehandlung sowie für die Pharma-Industrie. Die produzierten Substanzen werden flüssig oder als Feststoff in unterschiedlichsten Korngrößen ausgeliefert - eben so, wie es die Kunden jeweils für ihren Prozess benötigen.
Synthetische Kügelchen nach eigenem Patent: „Köstrolith“ kann mehr als Konkurrenzprodukte
Aber nicht nur diese Anlage im Werk ist neu: Als aktiv zu Besuch kommt, arbeiten gerade einige Monteure daran, ein Solarfeld anzuschließen. Das soll in der Spitze 200 Kilowatt Strom liefern, der ausschließlich für den Eigenbedarf gedacht ist. Einige Meter weiter auf dem Betriebsgelände wird eine neu gebaute Halle zur Erweiterung der Kieselgel-Produktion eingerichtet.
Böttcher wartet zudem auf eine weitere Baugenehmigung, damit die Molekularsieb-Produktion erweitert werden kann. Diese synthetischen Kügelchen haben eine große innere Oberfläche. Sie eignen sich hervorragend zur Trennung verschieden großer Moleküle, etwa bei der Herstellung von Wasserstoff oder der Reinigung und Trocknung von Gasen und Lösungsmitteln. Der Clou: Das Verfahren für das Produkt mit dem Namen „Köstrolith“ beruht auf einem eigenen Patent. Während die herkömmlichen Produkte laut Böttcher noch ein Fünftel inaktives Material - das Bindemittel - enthalten, sind die Molekularsiebe aus Bad Köstritz zu fast 100 Prozent wirksam.
Bei Entscheidungen setzt Böttcher auf die Kompetenz des Leitungsteams
So viele Veränderungen in kurzer Zeit – dabei ist Böttcher noch nicht lange Chef. Im April 2017 übernahm der im nahe gelegenen Gera Aufgewachsene das Unternehmen mit seinen heute 260 Beschäftigten und den drei Geschäftsbereichen Schwefelverbindungen / Molekularsiebe / Kieselsäuren. „Zuvor habe ich seit 2004 zuerst als Produktionsleiter, dann zehn Jahre als Geschäftsbereichsleiter für Kieselsäuren bei CWK gearbeitet“, sagt er. Neu war für ihn also vor allem die Chef-Funktion, nicht die Arbeitsumgebung.
„Man benötigt Zeit, um sich hineinzuarbeiten“, bekennt Böttcher, der einen kooperativen Führungsstil pflegt: Bei Entscheidungen setzt er auf die Kompetenz des Leitungsteams.
Management-Training in den USA
Zur Vorbereitung auf den neuen Job war er von Gesellschafter Kurt Leopold an die Harvard Business School in Boston (USA) geschickt worden, zu einem mehrmonatigen Management-Training. „Eine spannende und intensive Zeit“, erzählt Böttcher, der diesen Kurs gemeinsam mit Führungskräften aus 49 anderen Ländern absolvierte.
Gesellschafter Leopold hatte 1991 einen maroden Betrieb gekauft und das Potenzial erkannt. Die CWK wächst seitdem jährlich um rund 10 Prozent, der Umsatz lag 2018 bei 64 Millionen Euro.Die Gewinne fließen ins Unternehmen zurück, um diese Entwicklung zu fördern. Eine aktuelle Aufgabe ist da beispielsweise die weitere Automatisierung der Produktion, um die gute Position im Wettbewerb zu halten.
Übrigens: Die CWK setzt auf die eigene Ausbildung. Aktuell sind 14 Azubis dabei, ab Herbst nächsten Jahres werden weitere fünf Chemikanten für den eigenen Bedarf ausgebildet.
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Das Interesse an der Chemie hat bei mir ein engagierter Lehrer geweckt. Nach der Uni bekam ich 2004 von CWK ein unwiderstehliches Angebot.
Was reizt Sie am meisten?
Die CWK gibt es seit 1831 – es ist eine der ältesten Chemiefabriken Deutschlands! Diese Firma zu entwickeln und die Jobs zu erhalten, das ist eine anspruchs- und reizvolle Aufgabe.
Worauf kommt es an?
Man muss die Chancen des Marktes erkennen – und sie dann mit Augenmaß nutzen.