Rastatt. Der Ausbildungsleiter ist für viele der erste Chef. Ob er wohl streng ist? Wie er wohl auf dumme Fragen reagiert? Ob er sich überhaupt für mich interessiert? Das fragen sich viele neue Azubis. Auch beim Unternehmen Getinge, früher Maquet, in Rastatt. Doch dann steht Dieter Scharer vor ihnen. Diesem Mann ist eines ganz wichtig: Allen eine Chance zu geben, auch den möglicherweise Orientierungslosen, und: Er will aus Frust Freude machen.

„Spaß ist die Voraussetzung für Motivation“, sagt der 58-Jährige. Und der steht für Leute unter 25 Jahren ganz oben bei den Erwartungen an ihren Beruf. Noch vor Bezahlung und geregelten Arbeitszeiten! Das kam bei einer Umfrage der Restaurantkette McDonald’s heraus.

Azubis sind oft in einer schwierigen Lebensphase

Aber wie motiviert man jemanden, der Streit mit den Eltern hat oder Liebeskummer oder Geldsorgen? Der Berufseintritt fällt oft in eine schwierige Lebensphase, nicht nur bei Getinge. 47.000 Ausbildungsplätze bietet die Metall- und Elektro-Industrie in Baden-Württemberg insgesamt, und es geht für den Nachwuchs um viel mehr als nur fachliches Können: ums Erwachsenwerden, und darum, seinen Weg zu finden.

Scharer: „Wir sind auch bei privaten Problemen für unsere Azubis da.“ Dafür braucht es Vertrauen. Zu Beginn fährt Scharer mit den „Neuen“ vier Tage in ein Pfälzer Dorf. Natur pur. Kein Handynetz! „Da lernen wir uns kennen“, lacht er. Und da stellt er klar: „Dumme Fragen gibt’s nicht!“ Er selbst verrät dann private Dinge. Dass er einen Zwillingsbruder hat. Wie seine Enkel heißen. Was er schon für Probleme überstanden hat. 1988 nämlich musste er eine schwierige Entscheidung treffen. „Meine Frau war hochschwanger, als ich das Angebot bekam, für eine interessante berufliche Herausforderung eine Weile nach Kanada zu gehen …“

„Ohne Ausbildung keine Zukunft.“ Dieter Engel, Entwicklungschef bei Getinge

Er nahm das Angebot an! Seine Tochter sah er nach ihrer Geburt nur fünf Tage. „Der Schritt war trotzdem richtig, er hat mich sehr geprägt“, sagt er. Seinen Schützlingen will er mitgeben: „Wer etwas erreichen will, muss sich auch Problemen stellen.“ Wenn man einen steinigen Weg vor sich habe, sei das nicht so schlimm, sagt der Optimist. „Man kann Steine sortieren, etwas damit anfangen.“ Und selbst wenn privat alles rundläuft, gibt es Hürden: Es ist einfach viel Stoff zu lernen. Die Bedingungen dafür sind bei Getinge allerdings super. Die Theorie findet großteils im Werk statt. Die Ausstattung der Lehrwerkstatt ist erstklassig. Entwicklungschef Dieter Engel erklärt: „Ohne Ausbildung keine Zukunft. Wir müssen unseren Nachwuchs fördern, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.“

Getinge produziert in Rastatt mit rund 1.200 Mitarbeitern OP-Tische und tragbare Herz-Lungen-Maschinen. Es werden unter anderem Mechatroniker, Industriemechaniker, technische Produktdesigner, Kaufleute und Studierende ausgebildet, derzeit rund 70 Azubis und Studierende. 19 der zuletzt 31 Absolventen haben mit sehr gut abgeschlossen. Alle wurden übernommen.

Scharer betreut hier die Azubis seit 1990. Einmal fand einer keine Wohnung, der Vater war verstorben, die Mutter krank. Da bürgte er für ihn. Ein anderer realisierte erst nach drei Jahren, dass der Metallberuf nicht seine Welt war. Da vermittelte Scharer ihm eine andere Stelle. „Das Schönste ist für mich, jemandem helfen zu können.“

Kürzlich auf dem Fußballplatz. Auf Scharer kommt ein Azubi von früher zu, heute Vater mit Bart und Kindern, und sagt: „Erkennen Sie mich noch, Herr Scharer? Wenn Sie mich damals nicht motiviert hätten, wäre aus mir nichts geworden.“

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Schon als Kind habe ich mit Elektronik und Metall gebastelt. So landete ich in der Berufsfachschule Metall. Später bot mir ein Chef an, Ausbilder zu werden.

Was reizt Sie am meisten?

Wenn ich junge Leute motivieren oder ihnen helfen kann, das sind die Früchte meiner Arbeit.

Worauf kommt es an?

Als Ausbilder muss man Optimismus versprühen, sonst kann man gar nichts bewegen.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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