Dresden. Manche Motive darf der aktiv-Fotograf bei diesem Firmenbesuch nicht ablichten: Einiges ist topsecret in der Dresdner Hightech-Firma Sunfire. Die Kamera darf aber zum Beispiel Jens Tencher über die Schulter schauen: Der Facharbeiter montiert spezielle Festoxid-Zellen, die man hier entwickelt hat. Sie sind das Herzstück des Vorzeigeprodukts – eines Hochtemperatur-Elektrolyseurs.
Okay, das muss man jetzt erst mal erklären. So eine Anlage gewinnt – möglichst mit Ökostrom – aus Wasser Wasserstoff. Dieses Gas gilt als Energieträger der Zukunft, es soll Trucks und Schiffe antreiben, Stahlwerke klimaneutral machen, Chemieanlagen als Rohstoff dienen. Das Besondere an den Sunfire-Elektrolyseuren: Mit Abwärme aus Industrieprozessen arbeiten sie bei 850 Grad Celsius. Dadurch brauchen sie weit weniger Strom für das elektrolytische Aufspalten des Wassers als üblich, betont Geschäftsführer Nils Aldag: „Unsere Technik erreicht 84 Prozent Wirkungsgrad!“ Und damit haben die Dresdner die Nase weit vorn.
Wasserstoff-Erzeugung: Bei Salzgitter Flachstahl läuft bereits eine Anlage
Das ist das Ergebnis von elf Jahren intensiver Forschungsarbeit. Mitte des Jahrzehnts soll die Technik marktreif sein, der Wasserstoff mit konventionellen Energieträgern preislich konkurrieren können. Praxiseinsätze sollen weitere Verbesserungen ermöglichen.
Eine Anlage läuft schon bei Salzgitter Flachstahl und erzeugt 100 Tonnen Wasserstoff bis 2022. Eine weitere Anlage mit 2,7 Megawatt Gesamtleistung wird bald in einer Raffinerie in Rotterdam installiert und diese teilweise mit Wasserstoff versorgen. Und die Raffinerie von Total Energies in Leuna will in einem Pilotprojekt mit grünem Wasserstoff die Basischemikalie Methanol herstellen.
„Aktuell arbeitet unser Unternehmen weltweit an 70 Projekte“
Die Elektrolyseure von Sunfire können noch mehr: Aus Wasser plus Kohlendioxid erzeugen sie Synthesegas, Vorstufe für die Produktion von Chemikalien oder Sprit. Sunfire mischt da bei einem Projekt in Norwegen mit.
„Aktuell arbeiten wir weltweit an 70 Projekten“, berichtet Firmenchef Aldag. Das Ziel ist stets dasselbe: Fossile Energieträger durch „grün“ erzeugten Wasserstoff ersetzen und so den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid verringern. „Wasserstoff ist ein unverzichtbarer Baustein für die Energiewende“, so Aldag. Bis 2030 will die EU daher Zigmilliarden Euro in Elektrolyseure stecken! Laut einer Studie könnte die Wasserstoff-Industrie in 30 Jahren europaweit über 5,4 Millionen Jobs schaffen.
Da wollen die Firma Sunfire und ihre 300 Beschäftigten kräftig mitmischen. Die Chancen stehen gut: Investoren wollen demnächst weitere Millionen in die Hightech-Schmiede stecken.