Meckenbeuren. Per Smartphone plaudern wir mit Freunden, oder wir reservieren Kinokarten. Viele steuern damit sogar ihre Heizung oder den Fernseher. Das ist cool – aber noch längst nicht alles! Der Betreiber einer Restaurantkette beispielsweise kann per App, etwa von der Parkbank aus, zig Profi-Spülmaschinen kontrollieren, die in 15 verschiedenen Städten gerade Tausende Teller spülen. Auf dem Display sieht er zum Beispiel, wenn eine Maschine zu wenig Reiniger hat.
Die Digitalisierung bietet eben riesige Chancen, nicht nur für Produkte, sondern auch für Abläufe in der Produktion. Doch sie zu nutzen, ist für Industriebetriebe gar nicht so einfach: Wo fängt man am besten an? Wie bindet man die Mitarbeiter ein? Welche Lösungen aus der Flut neuer digitaler Möglichkeiten kommen überhaupt infrage?
Auch in der Produktion ändern sich viele Abläufe
Der Mittelständler Winterhalter hat seinen Weg gefunden. Er ist Weltmarktführer für gewerbliche Spülsysteme, die etwa in Restaurants, Kantinen und Bäckereien zum Einsatz kommen. Die Idee zur Vernetzung der Maschinen sei in seiner Zeit in England entstanden, sagt Unternehmer Ralph Winterhalter: „Unsere Kunden wollten immer genau wissen, welche Maschine zum Beispiel wie viele Spülgänge gemacht hat.“ Solche Infos habe man früher notiert – „allerdings händisch, was ein enormer Zeitaufwand war“.
Heute senden bestimmte Modelle per Internet laufend Daten an einen Server in der Firmenzentrale. Sie werden ausgewertet und den Kunden zur Verfügung gestellt. So sehen die Betreiber der Spülmaschinen per App auf einen Blick, ob und wo es hakt. „Vielleicht vergisst eine Spülkraft, Reiniger einzufüllen“, schildert Jens Steck, Leiter des Produktmanagements. „Oder eine Maschine wird öfter zu früh geöffnet. Oder die Selbstreinigung ist nicht aktiviert.“ All das könne zu Ausfällen und Hygieneproblemen führen. Jetzt herrsche Transparenz, das eröffne den Kunden ganz neue Möglichkeiten. „Bisher war eine Spülküche eine Blackbox“, so Steck. „Keiner wusste genau, was darin passiert.“ Etwa seit einem Jahr sind die vernetzten Maschinen auf dem Markt. „Die Nachfrage steigt enorm“, freut sich Steck. „Unser Gespür dafür, was dem Kunden nützt, war also richtig.“
Ein Assistenzsystem soll den Mitarbeitern bei der Montage helfen
Bei Winterhalter werden nicht nur die Produkte immer digitaler. Sondern auch die Produktion. 1.700 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen insgesamt, davon 450 am Hauptsitz. Natürlich sind hier auch die Werkzeugmaschinen vernetzt. Und bald soll den Mitarbeitern in der Montage ein Assistenzsystem digital helfen, indem es ihnen 3-D-Ansichten vom Bauplan zeigt und Abweichungen vom Montage-Standard automatisch erkennt. Solche Hilfen würden immer wichtiger, sagt Produktionsleiter Thomas Schubert. Denn: „Die Spülanlagen werden immer komplexer und kundenspezifischer.“ Damit wird auch ihre Montage kniffliger. Die Spülmaschinen gehen in mehr als 70 verschiedene Länder der Welt und müssen dort ganz unterschiedliche Vorschriften und Anforderungen erfüllen.
Außerdem bietet Winterhalter den Kunden auch immer mehr Möglichkeiten, die Ausstattung der Maschine an die eigenen Wünsche anzupassen. So gleicht kaum ein Produkt dem anderen.
Produktionsleiter Schubert will im Werk künftig auch ein fahrerloses Transportsystem einsetzen, um die Maschinen einfacher zu dem großen, neuen Logistikzentrum bringen zu können, das derzeit auf dem Gelände gebaut wird. Und: „Wir prüfen, ob wir bestimmte Ersatzteile, die wir immer mal wieder brauchen, künftig mit 3-D-Druckern herstellen können.“ Wie praktisch: Statt diese Teile irgendwo zu lagern und bei Bedarf herauszusuchen, werden sie – einfach gedruckt!
Größte Herausforderung im Zug des digitalen Wandels war es bei Winterhalter, die Kollegen dafür zu gewinnen. Steck verdeutlicht: „Viele Beschäftigte haben vor Neuem natürlich erst einmal Angst.“ Daher werden die Mitarbeiter intensiv in Projekten eingebunden, nehmen an Schulungen teil, können den Wandel selbst mitgestalten.
Das Unternehmen wächst stark
Mitarbeiter Michael Ammann, der gerade eine fertige Spülmaschine am Prüfterminal checkt, findet den Wandel gut: „Man muss sich doch weiterentwickeln“, sagt er. „Zurzeit wird hier zum Beispiel ein WLAN-Netz aufgebaut, dann sind wir nicht mehr so an Kabel gebunden.“
Dass durch Digitalisierung Jobs wegfallen könnten, ist hier kein Thema: „Wir wachsen stark“, schildert Schubert. Neue Mitarbeiter seien kaum zu finden. „Deshalb brauchen wir die Leute, die wir haben, umso mehr!“
Der Aufwand zur Änderung der Abläufe sei zwar in der Summe riesig, betont Produktionsleiter Schubert, aber schlicht auch notwendig: „Die Digitalisierung in der ganzen Welt hat ein unglaublich hohes Tempo, da müssen wir Schritt halten.“ Und mit Schnelligkeit kennen sich die Winterhalter-Mitarbeiter aus. Ihre Profi-Spülmaschinen brauchen für einen Spülgang nur zwei Minuten, bis alles wieder blitzt und glänzt.
Viele Betriebe stehen vor Hürden
- Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ist es gar nicht so einfach, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen. Schwierig ist häufig schon, den Nutzen von Digitalisierungsprojekten in Geld zu beziffern. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung im Auftrag des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Auch fehlten vielen Betrieben bisher pragmatische Handlungsempfehlungen.
- „Während vor allem große Unternehmen die Digitalisierung mit Elan vorantreiben, verhält sich der Großteil der kleinen und mittleren Betriebe noch abwartend“, schildert Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick.
- Viele Unternehmen könnten Digitalisierungsprojekte aber auch wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeiten und Fachkräftemangel nicht so leicht umsetzen, heißt es bei der Unternehmsberatung McKinsey. Allerdings stecke in der Digitalisierung ein gewaltiges Potenzial.
- Das deutsche Wirtschaftswachstum könnte pro Jahr um 0,3 Prozentpunkte höher ausfallen, wenn die kleinen und mittleren Unternehmen in der ganzen Republik entsprechende Projekte konsequent vorantreiben würden, schätzt McKinsey. Allein in der Metall- und Elektro-Industrie sei dadurch theoretisch zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von mehr als 15 Milliarden Euro möglich.
- Schon bei Dienstreisen schlummert ein riesiges Sparpotenzial durch digitale Technologien. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat dazu Interessantes ausgerechnet: Die Unternehmen könnten hierzulande 8,3 Milliarden Euro sparen, wenn sie Dienstreisen, wo möglich, einfach durch Videokonferenz-Systeme und Internet-Telefonie ersetzen würden.
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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