Emsdetten. In der Verpackungsabteilung des Vliesstoffherstellers TWE in Emsdetten geht es auffallend bunt zu: blau, grün, gelb, orange. Massenweise stapeln sich dort farbige Reinigungstücher.
Mittendrin steht Frieda Dück. Die 54-Jährige wedelt mit einem orangefarbenen Allzwecktuch aus Vliesstoff, packt den Stapel zwischen ihre Hände und drückt ihn fest zusammen.
Allzwecktücher in Asien sehr beliebt
Ob nun Putztuch, Matratze oder Staubsaugerbeutel: Vliesstoffe sind echte Allrounder, die so gut wie jeden durch den Alltag begleiten. Wo sie allerdings überall drinstecken, ist den meisten kaum bekannt.
„Sie verteilen Flüssigkeiten in Babywindeln, schlucken Fahrgeräusche im Auto-Innenraum, dämmen Dächer und dienen als Trittschalldämmung unter Laminat oder filtern die Luft in der Abzugshaube“, erklärt Michael May, Projektleiter Produktion in Emsdetten.
Auch Dück setzt beim Hausputz auf die Vliesstoff-Tücher: „Ich weiß ja, dass die Qualität stimmt.“ Ihr Stapel ist mittlerweile sorgfältig in Folie verpackt. Bestimmungsort: China. „Besonders in Asien sind unsere Allzwecktücher sehr beliebt. Vor allem durch den Aufdruck Made in Germany“, schmunzelt May. Das sei für viele Asiaten ein Qualitätsmerkmal.
Vliesherstellung: 8.000 Nadeln verhaken wirre Fasern zu einem flauschigen Teppich
Etwa 350 Millionen Euro setzt TWE jährlich mit seinen Vliesstoffen um – 60 Prozent des Umsatzes stammen aus dem Export. Die Emsdettener verkaufen ins europäische Ausland, in die USA und nach Asien. Gut die Hälfte des Umsatzes machen sie mit Produkten für den Bereich Hygiene und Automotive. Bis aus den wirren Stapelfasern jedoch ein gleichmäßiges Vlies entsteht, gibt es viel zu tun. In riesigen Anlagen müssen die Fasern zunächst parallel ausgerichtet und dann von 8.000 Nadeln wieder miteinander verhakt werden. Und das gleich vier Mal, bevor sie bei 200 Grad verschmelzen.
450.000 Quadratmeter Vlies stellen die Anlagen pro Tag her
„Bricht da nur eine Nadel, zieht sich der Fehler durchs ganze Vlies“, weiß Meister Andreas Bosse. Er hat mit Kollege Kanber Dogan am Führerstand der Nadelvliesanlage die Produktionsdaten im Blick. So immens sind die Kräfte, dass die Nadelbretter immer wieder in der firmeneigenen Werkstatt ausgebessert und alle drei Monate ausgetauscht werden müssen. Schließlich verhaken sie täglich 450.000 Quadratmeter Vlies. „Damit könnte man 63 Fußballfelder abdecken“, so Michael May.
Zu eben diesem Kickergrün hat TWE neuerdings ein besonderes Verhältnis: „Wir wollen bekannter werden und auf dem Platz Nachwuchs entdecken“, sagt May. Deshalb sponsort der Vliesstoffhersteller seit Oktober den örtlichen Fußballverein SV Borussia Emsdetten.
Das funktioniert! Kürzlich haben die ersten Kicker TWE besucht und einen Werkrundgang gemacht. May hofft: „Womöglich ergibt sich daraus die eine oder andere Bewerbung.“
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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