Achern. Baustoffe wie Zement, Mörtel oder Fliesenkleber. Getreide. Tierfutter. Und sogar Gefahrgut: All das wird oft in Papiersäcken geliefert. Und die haben es wirklich in sich, denn sie müssen einiges aushalten! „Sie sollen beim maschinellen Befüllen robust sein, sie sollen das verpackte Gut vor Nässe schützen – und sie müssen auch den einen oder anderen Knuff beim Transport vertragen, ohne gleich aufzureißen.“

So erklärt es Erika Reiter, Werksleiterin von Segezha Packaging in Achern, beim aktiv-Besuch. In dieser Firma im äußersten Westen Baden-Württembergs werden solche speziellen Papiersäcke gefertigt. Ihre ungewöhnliche Stabilität bekommen sie durch die Verarbeitung von sogenanntem Kraftsackpapier: Es enthält besonders viele frische und lange Nadelholzfasern und ist dadurch extrem belastbar und reißfest.

Über 100 Millionen Papiersäcke werden pro Jahr produziert

Segezha Packaging bezieht dieses Spezialpapier vorrangig aus Karelien in Nordwestrussland. Karelien?! Ja – denn der rund 100 Jahre alte deutsche Betrieb gehört seit 2006 zur russischen Segezha Group, die rund 13.000 Beschäftigte hat und sowohl ein wichtiger Holzproduzent wie auch ein führender Anbieter von Verpackungen mit neun Produktionsstandorten in Russland und Europa ist. Zentrum sind zwei Papierfabriken in der karelischen Stadt Segezha, die dem Unternehmen den Namen gegeben hat. Etwa drei Wochen braucht ein Lkw für die Fahrt von dort bis nach Achern.

Und es sind viele Lkws, die diesen langen Weg regelmäßig bewältigen.

Etwa 16.000 Tonnen Kraftsackpapier benötigt der 120-Mann-Betrieb pro Jahr, um daraus mehr als 100 Millionen Papiersäcke zu produzieren

Die gehen dann stapelweise zu den Kunden oder auch auf Rollen – bis zu 3.500 Stück fein säuberlich aneinandergereiht und aufgerollt. Dabei ist Papiersack nicht einfach gleich Papiersack: Je nach Bedarf wird so ein Sack von der Seite oder von oben befüllt und dann beim Verschließen geklebt, verschweißt oder auch zugenäht.

Ein Klassiker im Produktprogramm sind Ventilsäcke: Befüllt werden sie über eine kleine Öffnung an der Seite, die dabei mit eingeschlossene Luft kann über ein Ventil entweichen, ehe der Sack verschlossen wird. Als wohl einziges Unternehmen bundesweit bietet Segezha zudem sogenannte Pinch-Säcke an: Die haben einen festen Boden und werden mit einem besonderen Kniff (englisch „pinch“) verschlossen. So ein Sack kann aus bis zu fünf Lagen Papier sowie auch aus Folie bestehen, darin wird zum Beispiel fetthaltiges Hundefutter verpackt. Und während Zementsäcke meist eher schlicht anmuten, darf ein Papiersack für Pferdefutter ruhig auffallen: „Dann können wir unsere neue Druckmaschine mit acht Farben und Lackwerk richtig ausreizen“, sagt Werksleiterin Reiter.

Das neueste Produkt: ein Papiersack mit Sichtfenster

Für jeden Kunden konzipieren die Segezha-Ingenieure die passende Verpackung. Für Zement oder Mörtel gelten eben ganz andere Vorgaben als bei Tierfutter oder gar bei Milchpulver für Babynahrung, das unter Reinraumbedingungen abgefüllt wird.

Neu im Sortiment der Firma: ein Papiersack mit Sichtfenster, das den Blick auf das verpackte Gut ermöglicht. Die Idee hatte Ahmet Yildirim, Bereichsleiter der Papiersackfertigung. Vor mehr als 30 Jahren hat er hier im Betrieb angefangen, lernte Verpackungsmittelmechaniker (heute: Packmitteltechnologe) – und ist nach wie vor ein echter Papiersack-Fan: „Hier wird es mir nie langweilig“, sagt Yildirim, „es macht einfach Spaß, aus Papier Säcke für alle möglichen Anwendungen zu machen.“

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

Alle Beiträge der Autorin