Berlin.Statt die Wirtschaft noch stärker zu gängeln, sollte sich Vater Staat mal an die eigene Nase fassen! So lässt sich die Position des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall in der Diskussion um sogenannte sachgrundlose Befristungen zuspitzen.
In der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) sind nämlich nur 4 Prozent der Mitarbeiter befristet beschäftigt – im öffentlichen Dienst dagegen fast 10 Prozent. Geradezu dramatisch ist es übrigens in der Wissenschaft, also vor allem an den staatlichen Universitäten: Dort liegt der Anteil der Befristungen bei über 40 Prozent! Dennoch will der Gesetzgeber jetzt ausschließlich die Privatwirtschaft einschränken.
Rainer Dulger: „Unternehmen brauchen mehr Flexibilität und nicht weniger“
Laut Koalitionsvertrag sollen Arbeitgeber künftig nur noch 2,5 Prozent der Arbeitsverträge sachgrundlos befristen dürfen, wenn sie mehr als 75 Beschäftigte haben. Dieser Schwellenwert dürfte allerdings verfassungswidrig sein, so ein neues Gutachten von Professor Markus Stoffels (Uni Heidelberg).
Wobei aber schon die Idee an sich in die ganz falsche Richtung geht, wie Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger nun vor der Bundespressekonferenz warnte: „Die Unternehmen brauchen mehr Flexibilität und nicht weniger – insbesondere, da sich das wirtschaftliche Klima gerade deutlich verschlechtert.“
Gut jeder Zweite wird anschließend unbefristet übernommen
Dass privatwirtschaftliche Unternehmen im internationalen Wettbewerb flexible Kapazitätsreserven benötigen, steht ja außer Frage. Zeitarbeit, Werkverträge und eben auch Befristungen sind da bewährte Mittel. Den für M+E nötigen Spielraum beziffert Gesamtmetall auf 10 bis 15 Prozent des gesamten Personaleinsatzes. Wobei rund die Hälfte aller zunächst befristet eingestellten M+E-Mitarbeiter anschließend unbefristet übernommen werden.
Beim Staat wiederum liegt nicht nur die Quote der Befristungen viel höher als im wichtigsten Industriezweig. „Alle gerichtskundig gewordenen Fälle von Missbrauch bei Befristungen stammen aus dem öffentlichen Dienst“, so Gesamtmetall – „warum soll in der Privatwirtschaft eine Quote eingeführt werden, während der öffentliche Dienst weiter nach Lust und Laune befristen kann?“
Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.
Alle Beiträge des Autors