Wiesbaden. Jeder, der die mittlere Reife hat und eine Berufsausbildung von mindestens drei Jahren mit Note 2,5 oder besser abschließt, kann ohne weitere Prüfung an jeder Uni oder Fachhochschule studieren: Das geht in Hessen, dank eines bundesweit einmaligen Pilotprojekts. Und es wird, wie Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein vor der Landespressekonferenz in Wiesbaden ausführte, sehr gut angenommen.
Gemeinsam mit Professor Frank Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), Professor Jan Hense von der Universität Gießen und Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), präsentierte Minister Rhein kürzlich erste Ergebnisse.
Im Wintersemester 2016/2017 startete man mit 85 Teilnehmern. Inzwischen haben sich 235 junge Menschen an einer hessischen Hochschule eingeschrieben. Rhein betonte: „Das gute Interesse der Studierenden, aber auch die sehr gute Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, den Hochschulen und dem Land Hessen machen den Modellversuch so erfolgreich.“
Bessere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung
Politik und Unternehmerverbände in Hessen arbeiten seit Jahren gemeinsam daran, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung Stück für Stück zu erhöhen. Bis zum Start des Modellversuchs mussten Interessenten neben der abgeschlossenen Berufsausbildung mindestens drei Jahre Berufstätigkeit, eine erfolgreich absolvierte Hochschulzugangsprüfung und gegebenenfalls eine einschlägige Weiterbildung nachweisen.
Die meisten Studenten im Rahmen des Pilotprojekts hat die Hochschule Frankfurt UAS. Ihr Präsident Frank Dievernich ist ein großer Anhänger des Konzepts: „Bildungsbiografien sind heute sehr unterschiedlich. Daher müssen auch Bildungszugänge flexibel sein, wenn wir als Gesellschaft die Potenziale optimal zur Zukunftssicherung heben und nutzen wollen.“
Zwei junge Leute aus den Betrieben, die an der Frankfurt UAS studieren, sind die Industriekauffrau Vanessa Hutzel und der Industriemechaniker Artur Staudacker. „Ich will einfach tiefer einsteigen und noch mehr betriebswirtschaftliche Hintergründe kennenlernen“, sagt Hutzel – sie hat sich deshalb für ein BWL-Studium entschieden.
Artur Staudacker sieht in seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur eine gute Basis, um die Karrierechancen zu verbessern. Er ist froh über seinen betrieblichen Hintergrund: „Durch meine Ausbildung habe ich viel mehr technisches Verständnis als meine Kommilitonen, weil sich viele zum Beispiel gar nicht vorstellen können, wie Getriebe oder Kupplungen funktionieren.“
Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.
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