Hamminkeln. Dieser junge Mann kocht tatsächlich sein eigenes Süppchen – auch wenn Lars Oldenburg sich mittlerweile eher mit Schraubenzieher und Schmiermittel um die Webmaschinen des Textilunternehmens Setex in Hamminkeln bei Bocholt kümmert.
Suppe und Schraubenzieher – wie passt das zusammen? „Ich habe eine Lehre als Koch gemacht und dann neu angefangen – mit einer Ausbildung zum Produktionsmechaniker Textil“, klärt der 23-Jährige selbstbewusst auf.
Vom Koch zum Produktionsmechaniker – ein ungewöhnlicher Neuanfang und mutig dazu. Das fand auch die Jury des Nachwuchswettbewerbs NEXT 2017 der Brancheninitiative ZiTex – Textil & Mode NRW. Sie vergab Ende November den ersten Platz an Oldenburg. Mit der Auszeichnung werden seit sieben Jahren die besten Nachwuchskräfte der Branche aus dem gewerblich-technischen Bereich in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ausgezeichnet.
Mit seinem Werdegang ist der Bocholter, der zusätzlich von der IHK 2017 in seinem Ausbildungsberuf als bester Prüfling in Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde, nicht gerade das typische Beispiel für einen Preisträger.
„Meine Ausbildung als Koch zu Ende zu bringen, war wichtig – um dann neu durchstarten zu können.“
„Im Grunde genommen bin ich so etwas wie ein Spätberufener“, sagt er und zupft Baumwollflusen von seinem schwarzen T-Shirt, die sich während der Wartungsarbeiten an einer Webmaschine dort niedergelassen haben.
Weil ihm die Arbeitszeiten als Koch schon im dritten Lehrjahr keine Zeit mehr für Freunde und Freizeit ließen, entschloss sich der Hobbykoch für einen Neuanfang.
„Mir wurde klar: So was mache ich nicht 40 Jahre lang“, sagt er. Die Bewerbung bei Setex im Frühjahr 2014 war dann eher Zufall. „Während eines Praktikums konnte ich mir den Betrieb anschauen. Das hat mir gefallen.“ Da steckte Oldenburg aber noch in der Lehre zum Koch. Auch für Setex-Ausbilder Ingo Berning eine ungewöhnliche Situation: „Seine Ehrlichkeit und sein Interesse an der neuen Ausbildung hat uns überzeugt“, sagt Berning.
Die Lehre zum Koch zu schmeißen, kam für Oldenburg aber nicht infrage. Zumal er damals kurz vor der Abschlussprüfung stand. „Es war wichtig, das zu Ende zu bringen – um neu anfangen zu können“, sagt der 23-Jährige.
Heute arbeitet er im Schichtbetrieb bei dem Unternehmen, das technische Gewebe, Flammen hemmende Bühnen- und Vorhangstoffe sowie Textilien rund um die Matratze produziert. „Da fange ich zwar auch früh an, aber ich weiß, am Nachmittag ist tatsächlich Schluss. Ich kann jetzt viel besser planen.“ Freizeit und Freundeskreis haben wieder einen festen Platz in seinem Alltag – und er bildet sich weiter.
Seit Oktober lernt der Produktionsmechaniker für den Industriemeister Textilwirtschaft. Zwei Jahre wird er samstags die Schulbank drücken und den Ausbilderschein gleich dranhängen: „Mit beidem habe ich gute Chancen, im Job weiterzukommen.“ Deshalb steht auch noch nicht fest, wann er den Preis, einen Reisegutschein über 2.000 Euro, einlöst. Zumindest das Ziel ist klar: Amerika.
Dem Kochen ist er treu geblieben: „Ich bereite jeden Tag etwas Frisches zu.“ Der berufliche Neuanfang fühlt sich für ihn richtig an. Er könne jetzt seine Zukunft planen – natürlich im Textilbereich. Allen, die noch nicht wissen, wie diese für sie aussehen könnte, rät er: „Informiert euch. Und tut das, was euch Spaß macht. Schließlich wollt ihr den Job ja auch einige Jahrzehnte machen.“
Persönlich
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich wollte mich beruflich verändern. Ein Praktikum bei Setex gab mir die Gelegenheit, in den Beruf des Produktionsmechanikers hineinzuschnuppern. Das hat mir gefallen.
Was reizt Sie am meisten?
Die abwechslungsreiche Arbeit und die Verantwortung, die ich jetzt schon übernehmen kann.
Worauf kommt es an?
Besonders wichtig sind für mich die guten Zukunftsperspektiven in meinem Job. Dafür bilde ich mich jetzt auch schon weiter.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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