Berlin. Volle Wartezimmer bei den Ärzten und entsprechend verwaiste Werkbänke – davon kann im Augenblick so mancher berichten. Und das Gefühl täuscht nicht. Die Deutschen sind krank wie nie. Zumindest, wenn man sich die Daten für März 2023 anschaut.
Laut Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) war der Gesamtkrankenstand mit 7,02 Prozent im März so hoch wie noch nie seit Beginn der hauseigenen Analysen. Das ergibt die aktuelle Auswertung für die rund 4,5 Millionen berufstätigen BKK-Versicherten. Ähnliche Rekordwerte vermeldet auch der Branchenprimus Techniker Krankenkasse.
Grippe, Bronchitis und Corona belasten die Betriebe
Diese Krankheitswelle ist ungewöhnlich. Zumindest für einen Frühling, so ein Gesundheitsteam der BKK, das maßgeblich an den monatlichen Reportings mitarbeitet. „Im Wesentlichen ist der hohe Krankenstand in den vergangenen Monaten auf die sonst saisonal meist in den Herbst- und Win- termonaten auftretenden Atemwegserkrankungen zurückzuführen.“ Grippe, Bronchitis, Corona: Mehrere virale Erreger zirkulieren gleichzeitig und treffen auf einen perfekten Nährboden. Die Coronamaßnahmen sind so gut wie alle aufgehoben und enges persönliches Beieinandersein wieder erlaubt. Die logische Folge: ein hoher Krankenstand.
Was für den einzelnen Betroffenen schon ärgerlich genug ist, wirkt sich für die Unternehmen unmittelbar auf betriebliche Abläufe aus. Ein Teil des Arbeitsausfalls wird vielleicht durch gesunde Kolleginnen und Kollegen aufgefangen oder später durch die Erkrankten selbst nachgeholt – aber längst nicht alles. Es wird also weniger geleistet, und das bei enorm hohen Kosten.
Schließlich bekommen die Beschäftigten in den ersten sechs Krankheitswochen ihr Gehalt wie gehabt vom Arbeitgeber, der für sie auch weiter seinen Anteil in die Sozialversicherungen einzahlt. Das Institut der deutschen Wirtschaft gibt in einer Studie an, dass die deutschen Arbeitgeber schon im Jahr 2021 hochgerechnet 77,7 Milliarden Euro an Entgeltfort- und Sozialbeitragszahlungen für krankgeschriebene Mitarbeiter leisten mussten. Da der Krankenstand im Jahr 2022 schon ungewöhnlich hoch war, dürften die Zahlungen fürs Vorjahr und womöglich auch für das laufende Jahr sogar noch höher liegen.
Ende der Krankheitswelle ist abzusehen
Ausfälle wegen anderer Volkskrankheiten haben dagegen laut BBK-Analyse nicht zugenommen. Bei Muskel-Skelett-Erkrankungen (wie etwa Bandscheibenschäden) oder psychischen Beschwerden ist die Zahl der Betroffenen in etwa stabil. Übrigens: Der „Rücken“, die Psyche und Atemwegsbeschwerden sind zusammen für mehr als die Hälfte aller Fehltage verantwortlich.
Immerhin ist ein Ende der derzeitigen Erkältungswelle abzusehen. „Wir können vorsichtig optimistisch sein, dass sich in den kommenden Monaten der Krankenstand wieder auf das Vor-Corona-Niveau einpendeln wird“, heißt es beim BKK-Experten-Team. So langsam können unsere Betriebe da also wieder – aufatmen.
Nadine Bettray schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Sie studierte Politikwissenschaft an der Fernuniversität Hagen. Anschließend zog es sie zum Arbeitgeberverband METALL NRW in Düsseldorf. Am Journalistenzentrum Haus Busch in Hagen absolvierte sie ein Volontariat. Wenn Nadine nicht am Schreibtisch sitzt, jubelt sie Rot-Weiss Essen zu oder rennt mit ihrem Hund durch den Wald.
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