Berlin.Gerade auch für Deutschland wäre es eine gute Nachricht, wenn sich EU und Mercosur bald einigen. Wir leben schließlich wie kaum ein anderes Land vom Weltmarkt – auf dem es zuletzt jedoch alles andere als rundlief. Mit Abschluss des Handelsabkommens entstünde die größte Freihandelszone der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen.

São Paulo – einer der größten Standorte der deutschen Industrie

Mercosur – dazu gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. In diese Wachstumsregion exportieren schon heute rund 12.500 deutsche Betriebe. Zahlreiche Unternehmen haben eigene Standorte vor Ort. „Sie sichern dort Zehntausende Jobs und tragen dort etwa durch die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild zur nachhaltigen Entwicklung der Region bei“, betont Robert Hermann von der deutschen Außenhandelsgesellschaft GTAI. Einer der größten Auslandsstandorte der deutschen Industrie weltweit ist die brasilianische Metropole São Paulo. 

Auf viele Importwaren erheben die Mercosur-Länder allerdings sehr hohe Zölle – etwa auf Autos, Maschinen und Lebensmittel. Handelsschranken gelten für 85 Prozent aller Ausfuhren. Das kostet europäische Betriebe jährlich 4 Milliarden Euro. Geld, das mit einem Handelsabkommen eingespart bliebe.

Die Verhandlungen laufen bereits seit 1999. Seit 2019 steht der Vertrag. Die Unterschrift scheiterte aus europäischer Sicht bislang gerade auch daran, dass der frühere brasilianische Regierungschef Jair Bolsonaro zu wenig für den Schutz des tropischen Regenwalds getan hat. Doch seit Jahresbeginn gibt es eine neue Regierung in Brasilia. Und die will mehr für die Amazonasregion erreichen.

Wettbewerb mit China und den USA um den Marktzugang

„Die Handelsgespräche sind wieder in Gang gekommen“, freut sich Ingo Kramer. Der Vorsitzende der Lateinamerika-Initiative der deutschen Wirtschaft (LAI) warnt allerdings vor zu viel europäischer Selbstsicherheit: „Wir sollten uns nicht für den Nabel der Welt halten.“

Diese Sicht teilt auch Ulrich Ackermann, Außenwirtschaftsexperte des Maschinenbau-Verbands VDMA. Die EU stehe schließlich im Wettbewerb mit China und den USA um den Marktzugang in den Mercosur-Staaten. „Und es wird kein Baum im Amazonas vor dem Abholzen bewahrt, wenn das Abkommen mit uns nicht kommt.“

Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt am Außenhandel

Fest steht: Auf dem Weltmarkt weht der Wind seit Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine viel rauer. Nicht zuletzt um unabhängiger von China zu werden, geht es darum, beim Handel neue Partner zu gewinnen. Mit dem EU-Mercosur-Abkommen entstünde ein Riesenmarkt, der fast 20 Prozent der Weltwirtschaft abdeckt. Eine echte Chance für Deutschland – schließlich hängt bei uns jeder vierte Arbeitsplatz am Außenhandel, in der Industrie sogar jeder zweite.

Die Zeit drängt, mahnt der Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange: „Noch dieses Jahr sollte das Abkommen stehen. Sonst läuft die Uhr dafür ab.“

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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