Die Nachricht ging im Getöse der großen Weltpolitik fast unter, aber sie markiert einen wichtigen Meilenstein in Sachen Energiewende: Wenige Wochen vor Weihnachten meldete der Energiekonzern Eon den offiziellen Start seines Nordsee-Windparks Amrumbank West, der mit einer Gesamtleistung von 288 Megawatt (MW) künftig 300.000 Haushalte mit Strom versorgen wird. Damit ist die Hälfte des Weges geschafft, rund 50 Prozent der von der Bundesregierung bis 2020 angepeilten Leistungskapazität von 6.500 Megawatt sind installiert.

In Zahlen: Nach Angaben der Stiftung Offshore-Windenergie sind in Nord- und Ostsee derzeit 13 deutsche Windparks mit insgesamt rund 850 Turbinen am Netz. Die Leistung dieser 13 Parks addiert sich auf 3.300 Megawatt. Rechnerisch reicht das für ein Zehntel der rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland.

Deutsche Parks liegen weit draußen im Meer

„Ein voller Erfolg“, so Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung. Zurückzuführen sei dies in erster Linie auf die Ökostrom-Finanzierung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Das EEG, das wegen der Folgekosten für Verbraucher und Industrie nicht unumstritten ist, war Mitte 2014 geändert worden. Dabei beschlossen Bundestag und Bundesrat unter anderem eine Verlängerung der hohen Anfangsvergütung für Windstrom um zwei Jahre, also bis Ende 2019.

Ein weiterer Grund für die positive Entwicklung ist laut Wagner der Fortschritt beim Netzausbau. Das war nicht immer so, denn zeitweilig war es gerade dieser Bereich, der für massive Verzögerungen sorgte.

In deutschen Hoheitsgewässern nämlich gibt es eigene Regeln: Hier baut man Windparks – anders als in den meisten anderen Ländern – weit von der Küste entfernt. Das hat optische Vorteile, aber auch den Nachteil, dass man den von den Turbinen erzeugten Wechselstrom für die Reise zum Festland in Gleichstrom umwandeln muss. Andernfalls wären die physikalischen Leitungsverluste zu hoch.

Für diesen Job gibt es Konverterplattformen wie Borwin, Helwin und Sylwin. Die weltweit stärkste Anlage ist Dolwin beta. Sie hat eine Übertragungskapazität von 916 Megawatt und liegt nördlich von Norderney. Die Station ist ein zentrales Element des Projekts Dolwin 2, das die Windparks Nordsee One, Gode Wind I und Gode Wind II ans Stromnetz anbindet.

Deutlich größer als diese Parks ist Bard Offshore 1. Seine 80 Turbinentürme stehen 90 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum und damit weiter draußen auf See als alle anderen Offshore-Parks weltweit.

Der dritte Ostsee-Park geht 2017 ans Netz

Auch hier gab es anfangs Probleme mit der Anbindung, die zur Insolvenz der Bard-Gruppe führten. Mittlerweile jedoch ist der Park, der bereits Mitte 2013 offiziell eröffnet worden war, wieder am Netz und liefert Strom für rechnerisch 400.000 Mehrpersonenhaushalte.

In der Ostsee gibt es derzeit nur zwei Windparks. Baltic 1 liefert 48,3 Megawatt und wurde Anfang Mai 2011 in Betrieb genommen, Baltic 2 folgte im September 2015 und hat eine Leistung von 288 Megawatt. Bauherr war in beiden Fällen der süddeutsche Energiekonzern EnBW, der sich für die Finanzierung mit dem australischen Investor Macquarie zusammengetan hatte.

Ein drittes Projekt ist derzeit im Bau. 75 Kilometer vor der deutschen Küste entsteht unweit von Rügen der Windpark Wikinger, der Ende 2017 mit 350 Megawatt ans Netz gehen soll. Bauherr ist der spanische Energiekonzern Iberdrola. Die ersten Rohre für den Windpark sollen im Frühjahr 2016 in den Ostseegrund gerammt werden. Iberdrola rechnet mit 200 direkten und indirekten Arbeitsplätzen in der Region während der Betriebsphase des Windparks.

Ein neues Verfahren bei der Ausschreibung soll Kosten sparen

Die künftige Entwicklung der Branche hängt nach Einschätzung der Stiftung Offshore-Windenergie vor allem vom weiteren Netzausbau ab. Auch politische Einflüsse spielen eine Rolle, denn in Berlin wird – basierend auf Vorgaben der EU-Kommission – schon kräftig an neuen Regeln gearbeitet. Diese sehen vor, dass Windpark-Betreiber sich künftig in einer Ausschreibung um den Zuschlag für den Bau ihrer Anlagen bewerben müssen. Der günstigste Anbieter gewinnt. So will man die Kosten senken.

Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

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