Die 90er Jahre waren die Ära der „New Economy“, eine wilde Zeit, in der die Börsenkurse der Hightech-Konzerne auf schwindelerregende Höhen kletterten. Wer schnelles Geld verdienen wollte, legte sich ein paar AOL- oder Nokia-Aktien ins Depot und wunderte sich später über zweistellige Einbußen, die bis zum Totalverlust gingen.
Zwei junge Ingenieur-Studenten der Elektrotechnik wählten einen anderen Weg. Statt auf die Kompetenz amerikanischer Start-ups und hoch bezahlter Manager zu hoffen, gründeten sie selber eine kleine Hightech-Firma, obwohl ihr Studium in Braunschweig noch gar nicht beendet war. So entstand 1992 das Unternehmen Garz & Fricke, benannt nach seinen Gründern Manfred Garz und Matthias Fricke.
Die Belegschaft wuchs auf rund 130 Mitarbeiter
„Unser erstes Produkt war eine Alarmanlage für Zigarettenautomaten“, erzählt der gebürtige Hamburger Garz. „Auf diese Idee waren wir durch einen Bekannten gekommen, dessen Familie mit Automaten zu tun hatte.“ Ein Jahr nach der Gründung übersiedelte die Firma in den Süden von Hamburg und nahm dort die Produktion auf.
In den 26 Jahren danach ist viel passiert. Der Betrieb hat sich ordentlich entwickelt und beschäftigt mittlerweile rund 130 Mitarbeiter. Bei dieser Belegschaftsgröße wird es aber wohl kaum bleiben, denn Garz & Fricke wächst immer noch kräftig und ist stets auf der Suche nach weiterem Personal.
Das Automaten-Know-how ist bis heute eine besondere Stärke der Harburger. Garz: „Wir sind im deutschsprachigen Raum Marktführer für Elektronik in Tabakautomaten. Unsere Kunden sind Hersteller und Aufsteller von vernetzten Verkaufsautomaten aller Art, denen wir schlüsselfertige Automatensteuerungen, Bezahlsysteme, Solarladetechnik und Telemetrielösungen liefern.“
Intelligente Schnittstellen
Neben dem Geschäftsfeld „Smart Vending und Telemetrie“, der sich auf die beschriebenen Lösungen rund um vernetzte Verkaufsautomaten konzentriert, liegt der Hauptfokus von Garz & Fricke auf dem Bereich „Embedded Systems“. Hier reicht das Angebot von Touch-Displays über Panel-PCs bis hin zu nahtlos integrierten HMI-Lösungen.
Das Kürzel „HMI“ steht für „Human Machine Interface“, also für die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Garz: „In diesem Geschäftsbereich entwickeln wir Komplettlösungen mit Funktions- und Bedienelektronik über Touch-Displays sowie Software und Gehäuse, und zwar – je nach Kundenwunsch – entweder kostengünstig auf Basis individuell angepasster Standardlösungen oder auch völlig neu, wenn es die Situation erfordert.“
Im deutschsprachigen Raum ist Garz & Fricke Marktführer für Elektronik in Tabakautomaten
Konkret geht hier es um Eingabegeräte für alle Arten von Anwendungen. Dazu zählen etwa Anlagen zur Industrieautomation, Kaffeemaschinen der Gastronomie, Laborgeräte und Sicherheitstechnik.
Standard ist dabei, ähnlich in fast allen Kundenprojekten, die absolute Ausnahme, wie Manfred Garz betont. „Wir sind die Experten für maßgeschneiderte Lösungen. Deshalb findet unsere Fertigung auch nicht in Asien statt, sondern hier in Hamburg. Das gibt uns eine Flexibilität und Zuverlässigkeit, die wichtiger ist als die Kostenersparnis, die man im Ausland erreichen könnte.“
Fachkräftemangel? Kein großes Thema für Garz & Fricke
Außerdem hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren konsequent auf Automatisierung und Prozessoptimierung gesetzt, wie bei einem Gang durch die Hallen deutlich wird. Dort stehen Maschinen, die mit einem unglaublichen Tempo Leiterplatten bestücken. Die elektronischen Bauteile werden nicht über ein Magazin, sondern über schmale Kunststoffbänder zugeführt, die auf große Rollen aufgewickelt sind und sich mit wenigen Handgriffen tauschen lassen.
Die Rationalisierung ist zugleich ein Instrument gegen den zunehmenden Fachkräftemangel, der derzeit vielen Unternehmen in Deutschland zu schaffen macht.
Marc-Michael Braun, der kaufmännische Geschäftsführer von Garz & Fricke: „Wir sind von diesem Phänomen ebenfalls betroffen, aber glücklicherweise nicht ganz so stark wie andere Firmen. Unser Vorteil ist die Nähe zur technischen Uni, die man von hier aus in knapp 15 Minuten mit dem Rad erreichen kann.“ Daher gibt es immer eine ganze Reihe von Studenten, die bei dem Mittelständler ein Praktikum machen oder ihre Abschlussarbeit schreiben und danach im Unternehmen bleiben.
Im Herbst wird in eine neue Zentrale umgezogen
Wie gut die Karriere-Chancen bei Garz & Fricke sind, zeigt das Beispiel von Arne Dethlefs. Der 34-Jährige, der an der TU Hamburg Maschinenbau studiert hatte und später in Berlin promovierte, hatte erst 2016 die Leitung der Produktion übernommen und wurde nun zum Vorstandschef der neuen US-Tochter von Garz & Fricke in Minneapolis ernannt. Das Unternehmen will mit seiner dortigen Präsenz das Geschäft in Nordamerika ausbauen und neue Kundenkreise erschließen.
Aber auch am heimischen Standort tut sich einiges. In wenigen Wochen feiert die Firma Richtfest für ihr neues Gebäude im Zentrum von Harburg, das im zweiten Halbjahr bezogen werden soll.
Neuer Partner hilft bei Expansion
Der Bau nördlich des Elbcampus besteht aus einer Produktions- und Logistikhalle sowie einem Entwicklungs- und Verwaltungsgebäude. Die Produktionshalle hat eine Erdgeschossfläche von etwa 4.000 Quadatmetern sowie zusätzlich eine 700 Quadatmeter große Galerieebene für Umkleide- und Pausenräume. Braun: „Der Umzug war überfällig, da wir durch unser Wachstum in den vergangenen Jahren immer weniger Platz hatten. Der Neubau wird die zur Verfügung stehende Fläche in etwa verdoppeln, wobei ein Teil zunächst noch vermietet werden soll.“
Um dieses und andere Projekte finanzieren zu können, haben Manfred Garz und Matthias Fricke mit dem Finanzinvestor Afinum einen neuen Partner ins Boot geholt. Ein „Exit“ der beiden Gründer ist aber kein Thema. „Wir bleiben an Bord“, sagt Garz. „Ist ja schließlich unser Baby. Das gibt man nicht einfach so weg.“
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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