Stuttgart. Ein Parkdeck in Stuttgart-Bad Cannstatt: Hier sirren Elektroautos leise beim Laden. Sie gehören Mitarbeitern von Mahle – oder zur Firmenflotte des Automobil-Zulieferers, dessen Betriebsgelände gleich gegenüberliegt.
Während es in vielen Parkhäusern gerade mal eine Ladesäule für Stromer gibt, sind es hier gleich 100 Stück – eine an jedem siebten Stellplatz!
Maschinenbauingenieur Sebastian Ewert (39) lächelt zufrieden, als er aktiv durchs Parkhaus führt. Ewert hat mit Kollegen ein innovatives Ladesystem für E-Autos entwickelt, das gleich mehrere Probleme auf einmal löst.
Die Grundidee: Der Ladevorgang muss gar nicht „so schnell wie möglich“ passieren – oft bleibt das Auto ja sowieso lange auf dem Parkplatz stehen.
Langsames Aufladen: Ideal für Langzeitparker
„Zum Beispiel auf Parkplätzen für Pendler“, schildert Ewert, „oder bei Logistikunternehmen oder bei Besucherparkplätzen auf Flughäfen – oft steht das Auto da über viele Stunden.“
So auch im Mahle-Parkhaus: Die Mitarbeiter parken ihr Auto dort im Schnitt acht Stunden. Perfekte Voraussetzung, um die Batterie in aller Ruhe zu laden, ohne aufwendige Installationen für komplizierte Schnell-Ladesysteme.
"Wir wollen fürs Elektroauto eine intelligente, bezahlbare Infrastruktur entwickeln."
Sebastian Ewert, Ingenieur bei Mahle
Als die Idee einmal da war, ließ der Gedanke Ewert nicht mehr los, also plante er mit seinem Kollegen Walter Krepulat ein Ladesystem extra für Langzeitparker. „Wir wollen eine intelligente, bezahlbare Ladeinfrastruktur für die flächendeckende Anwendung entwickeln“, sagt der Ingenieur, „denn erst die wird bei vielen zur Entscheidung für ein Elektroauto führen.“
Erster Kunde: Der Flughafen Stuttgart
Mit ihrer Idee traten sie beim Mahle-Ideenwettbewerb „Incubator“ an. Und sie überzeugten die Jury. Schließlich hat das System noch einen Vorteil: Es nutzt die bestehende Stromnetzanbindung über eine spezielle Software effizient aus.
Wenn viel Strom im Netz verfügbar ist, verteilt das System mehr Ladestrom – und in Spitzenlastzeiten weniger. Vom Unternehmen gab’s ein Budget, und mit einem Team von vier Leuten begann die Arbeit im Mahle-Start-up „chargeBIG“ – der Name steht für: Laden im großen Stil.
Nicole Heinrich betreut das Marketing und die Kunden. Erster Kunde war der Flughafen Stuttgart: Dort soll es künftig 110 Ladepunkte geben.
Heinrich erzählt von begeistertem Echo: „Wenn wir mit potenziellen Kunden sprechen, ist die Reaktion fast immer: Das habe ich so noch nicht gesehen – das brauchen wir heute oder morgen!“
Zumal das Ladesystem viel leichter installiert werden kann als die sonst üblichen Schnell-Ladesysteme. Die einfachen Ladesäulen, die Leitungen und der Schaltschrank mit der Elektronik zur intelligenten Steuerung lassen sich ohne großen Aufwand in die bestehende Stromversorgung integrieren – selbst mit einem 40 Jahre alten Trafo!
Vorteile gegenüber anderen Ladestationen
Und so kann dieses System auch viel schneller in die Fläche ausgerollt werden als Schnell-Ladesäulen. „Diese sind gut und richtig, wenn es, wie an der Autobahn, wirklich schnell gehen muss“, erklärt Ewert. „Allerdings verschleißt die Batterie schnell, und die Energierechnung ist enorm, weil das Schnellladen teure Spitzenlasten verursacht.“ Zudem würde es unsere Energienetze überfordern, wenn flächendeckend nur Schnell-Ladestationen installiert würden.
Ingenieur Ewert freut sich jedenfalls, dass die Idee schon so viele Früchte trägt. Das Mahle-Start-up bekommt sogar schon Anfragen von Kunden, die sich für bis zu 1.000 Ladepunkte interessieren.
Mahle und der Klimaschutz
Der Antriebs-, Filtrations- und Klimatechnikspezialist Mahle aus Stuttgart entwickelt neben der Elektromobilität eine Reihe weiterer Antriebstechnologien zur CO2-Einsparung, etwa für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe oder von Brennstoffzellen. Beim Unternehmen ist man überzeugt: Es gibt nicht die eine Ideallösung für alle Mobilitätsbelange! Nötig und sinnvoll sind verschiedene Lösungen für spezifische Zwecke.
Auch bei der Wärmeregulierung für Antrieb und Innenraum dreht Mahle an der Schraube: Sein neues wärmepumpenbasiertes System für Elektrofahrzeuge reduziert den winterlichen Reichweitenverlust um bis zu 20 Prozent.