Das Werfthotel in Wismar ist nicht in Kiellinie gebaut – das dreistöckige Gebäude, rot geklinkert, mündet an der Ecke Alter Holzhafen/Schiffbauerdamm in einem Linksknick. Das Mitte 2019 eröffnete Hotel Park Inn by Radisson hat jedoch einiges mit einem Schiff gemein. Spätestens wenn die Gäste ihre Zimmer betreten, finden sie bestätigt, was ihnen angekündigt wurde: Sie übernachten in originalen Kreuzfahrt-Schiffskabinen.
Interims-Hoteldirektor Alexander Prüß, der zugleich den Gastrobereich des Hauses leitet, führt in eines der „maritimen“ Zimmer. Diese sind von der Größe, vom Interieur sowie in technischer und sanitärer Ausstattung identisch mit den Passagierkabinen auf dem neuen Kreuzfahrtschiff „Global Dream“. Der rund 340 Meter lange Ozeanriese entsteht derzeit arbeitsteilig in Warnemünde und Wismar an den Standorten der Unternehmensgruppe MV Werften, die zum asiatischen Genting-Konzern gehört.
Kabinen-Einsatz sparte Zeit und Kosten
Alexander Prüß: „Da die Schiffskabinen modular in einem werfteigenen Betrieb unweit von Wismar gefertigt werden, lag die Idee nahe, das Hotel mit den weitgehend ausgestatteten Kabinen zu bestücken.“ Das habe Zeit und Aufwand bei dem Neubau gespart.
Dieser wurde im Gewerbegebiet am Wismarer Hafen errichtet. In Sichtweite zur über 70 Meter hohen Schiffbauhalle, in der aktuell das Vorschiff und das Heck der „Global Dream“ entstehen. Nach der Überführung des in Warnemünde gebauten 216 Meter langen Mittschiffs nach Wismar werden die vorgefertigten riesigen Schiffskomponenten zusammengefügt.
Jede Menge Technik an Bord
Adäquat zur Bautechnologie am Schiff wurden die Kabinenmodule seitlich in das rohbaufertige Hotelgebäude eingeschoben, eines nach dem anderen. Sie gehören zu den ersten Kabinen aus der Modulfertigung, die im September 2017 gestartet wurde.
Das neue Hotel von MV Werften besteht aus vorgefertigten Kreuzfahrtschiff-Kabinen
Für ein Schiff der Global Class werden rund 3.400 Kabinen benötigt. „Komplett vorausgerüstete Kabinen sind der zeit- und kosteneffektivste Weg“, so Johannes Gößler, Geschäftsführer der Tochterfirma MV Werften Fertigmodule. „Dadurch wird die Arbeitszeit an Bord so gering wie möglich gehalten.“
„Es funktioniert alles wie auf dem Schiff“
Mit dem Einsatz der Kabinen im Werfthotel werden diese einem ersten Praxistest unterzogen. „Es funktioniert alles wie auf dem Schiff“, erklärt Prüß.
So gibt es ein Touchpanel, über das die Gäste unter anderem Licht und Temperatur regeln können. An der Decke sind Bewegungsmelder angebracht, die den Energieverbrauch reduzieren – wenn sich niemand im Raum aufhält, geht die Beleuchtung automatisch aus.
Das Hotel hat rund 100 Zimmer
Die 19 Quadratmeter großen Standardkabinen sind modern eingerichtet. Dunkelgraue Holzmaserung ziert Schränke, Möbel und Wandverkleidungen. Einen unübersehbaren Hinweis, dass es sich nicht um gewöhnliche Hotelzimmer handelt, geben Revisionsklappen auf dem Flur neben den Türen. Hinter ihnen verbergen sich Zuleitungen, Sicherungen und Anzeigen. Prüß: „Das technische Equipment jeder Kabine wird wie an Bord autonom gesteuert und überwacht.“
Das Hotel hat 98 Zimmer, darunter ein behindertenfreundliches und zehn barrierefreie sowie zwei Suiten. Im dritten Geschoss wurden einige Kabinen jeweils um einen kleinen Vorraum mit Pantry-Küche ergänzt und zu kleinen Appartements umfunktioniert. „Diese Räumlichkeiten sind ideal für Gäste, die für längere Zeit auf der Werft beschäftigt sind“, so Prüß.
Radisson Hotel Group ist Partner
MV Werften hat vorrangig in die Herberge investiert, um genügend Unterkünfte für die Mitarbeiter von Subunternehmen und Lieferanten sowie Geschäftspartner und Berater zur Verfügung zu haben. Als Partner wurde die Radisson Hotel Group gewonnen, die international zu den großen Playern der Branche zählt. Betrieben wird das Haus von einer Schwestergesellschaft der Werft.
„Wir stehen natürlich auch Gästen zur Verfügung, die nicht in den Schiffbau nebenan involviert sind“, so Prüß. Der 36-jährige Hotelfachmann gehört von Anfang an zur Crew des Park Inn by Radisson. Er hat die Konzepte für den Bar- und Restaurantbereich mitentwickelt. Alles ist „hart gestylt“, wie er sagt, mit viel Metall und Holz. „Wir sehen gute Chancen, uns auch für andere Gäste zu empfehlen, die Wismar besuchen wollen.“
Das Konzept sorgt für großes Interesse
Das spezielle Baukonzept hat in der regionalen Tourismusszene bereits für Furore gesorgt. Prüß berichtet von Hausführungen, zu denen sich etwa Studenten von Hotelfachschulen und touristischen Studiengängen an Hochschulen angemeldet hätten.
Aber auch für manchen kreuzfahrtunerfahrenen Besucher könnte das neue Park Inn von Interesse sein, um sich ganz praktisch einen ersten Eindruck von den Übernachtungsbedingungen auf einem Cruise Liner zu verschaffen. Nur das sanfte Schaukeln eines Schiffes fehlt …