Tuttlingen. Er mag es handfest. „Papierstapel auf dem Schreibtisch rumschieben ist nicht mein Ding“, sagt Tim Baur. Deshalb hat sich Baur für eine Ausbildung zum Industriemechaniker bei dem Hersteller von Werkzeugmaschinen Chiron in Tuttlingen entschieden. Hier kann er tüfteln, programmieren und an Maschinen arbeiten. Darin ist er richtig gut: Der 20-Jährige ist Deutscher Meister im CNC-Fräsen. Den Titel hat er beim Berufswettbewerb „WorldSkills Germany“ im letzten Herbst geholt.
Stolz zeigt Baur sein Werkstück vor, mit dem er sich gegen fünf andere Wettkämpfer durchgesetzt hat. Es besteht aus drei Teilen: „Ein Aluminiumteil, ein Stahlteil mit drei zu bearbeitenden Seiten und ein Stahlteil mit zwei Seiten“, erklärt Baur. Am Ende musste alles ineinanderpassen, millimetergenau. Sieht schwierig aus, „war es auch“, betont der junge Champion.
Denn bei dem vier Tage dauernden Wettbewerb im September 2018 musste alles perfekt laufen: Die Vorlage, eine Zeichnung, mussten die Teilnehmer am Computer umsetzen und danach die Werkzeugmaschine programmieren, bevor es ans Fräsen ging. Die Zeitvorgaben waren eng. „Entscheidend ist die richtige Strategie“, erklärt Baur. „Wer die Arbeitsschritte nicht in der richtigen Reihenfolge durchplant, hat kaum eine Chance.“ Dann muss alles nach Maß gefertigt werden. Die Qualität der einzelnen Teile entscheidet über den Erfolg.
Die Ausbildung bereitet auf den Wettbewerb vor
Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen: „Am dritten Tag stand der Sieger noch nicht fest“, erzählt Chiron-Ausbildungschef Herbert Mattes, der sich seit vielen Jahren für die WorldSkills engagiert und die Wettkämpfe betreut. Mattes hat sich die knifflige Aufgabe ausgedacht und 19 Azubis aus ganz Deutschland für den Wettbewerb fit gemacht. Bereits im Frühjahr begann die heiße Phase mit Einführung in das Programmiersystem und Schulungen an den Wettbewerbs-Maschinen und Werkzeugen.
Nach den Vorentscheiden traten sechs Azubis zur Deutschland-Meisterschaft im CNC-Fräsen an. Können ist hier ebenso gefragt wie Nervenstärke. Baur: „Man darf sich nicht verrückt machen lassen.“ Nicht von den anderen Teilnehmern und nicht von den Besuchern der Stuttgarter Maschinenbau-Messe AMB, wo der Wettbewerb alle zwei Jahre stattfindet.
Chiron investiert am heimischen Standort 30 Millionen Euro
Doch Tim Baur ist im Wettkampf erprobt. In seinem Hobby als Ringer hat er schon zweimal die deutschen Meisterschaften gewonnen. Für seinen Arbeitgeber ist der Aufwand für die Berufs-Meisterschaft erheblich. Neben Zeit und Energie, die Ausbilder Mattes investiert, stellt Chiron für den Wettbewerb auch Maschinen zur Verfügung. „Es lohnt sich“, meint Mattes: „Wir kriegen dadurch mehr Bewerber für unsere Ausbildungsplätze.
Facharbeiter wie Tim Baur sind für das Unternehmen Gold wert.
Die Unternehmensgruppe hat im Jahr 2017 mit weltweit 2.100 Mitarbeitern 466 Millionen Euro Umsatz gemacht. Zwar ist die Chiron-Gruppe international aufgestellt, doch das Herz schlägt am heimischen Standort. In Neuhausen, nahe Tuttlingen, baut Chiron für über 30 Millionen Euro eine hochmoderne Fabrik. Die sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter waren dafür mit entscheidend.„Facharbeiter wie Tim Baur sind Gold wert“, sagt Ausbilder Mattes. „Bei der Vorbereitung lernen sie enorm viel, und im Wettkampf zeigen die jungen Leute, was in ihnen steckt.“
Baur hat sich mit dem Deutschland-Titel einen Startplatz bei den diesjährigen Weltmeisterschaften im russischen Kasan erkämpft. Sein Ehrgeiz ist geweckt: „Mein Ziel ist ein Platz auf dem Siegertreppchen.“
Die Olympischen Spiele der Berufe
Die Weltmeisterschaft der Berufe, die WorldSkills, findet alle zwei Jahre statt. 2017 war Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten der Austragungsort. Im Sommer 2019 treten die Champions der Länder in Kasan, Russland, an. Bei den „WorldSkills Germany“ werden die nationalen Sieger ermittelt. Hier messen sich die besten Talente im CNC-Drehen, CNC-Fräsen und in Metalltechnik alle zwei Jahre bei der Stuttgarter Maschinenbaumesse AMB. Der Wettbewerb ist Anerkennung und Motivation für die angehenden Facharbeiter. Die Initiatoren wollen damit auch die duale Berufsausbildung stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.