Dortmund. Der erste Gedanke: ein riesiger roter Lolli! Doch der hier, den Andreas Giesbrecht per Kran aus dem Ofen holt, ist glühend heiß und tonnenschwer. Später einmal wird das Bauteil einer Spundwand im Hafen sicheren Halt geben – und die Elemente Wasser und Erde dauerhaft voneinander trennen.

Giesbrecht arbeitet bei der Firma Anker Schroeder in Dortmund. Das Unternehmen fertigt per kalter und warmer Stahlumformung Ankersysteme aus Stahl, die unglaubliche Zugkräfte bändigen.

Ein Schäkel, der Seile oder Ketten verbindet, kann 1.500 Tonnen Nutzlast halten, was dem Gesamtgewicht von 18 vierachsigen Elektroloks entspricht. Und er bricht erst bei der fünffachen Belastung. Im Einsatz sichert so ein hufeisenförmiges Ding zum Beispiel eine Bohrinsel auf dem Meeresgrund.

Warum der FC Bayern von Dortmund abhängt

Die Anker werden aber auch in Stadien verbaut. Geschäftsführer Daniel Schroeder, der vor zwei Jahren die Firma von seinem Vater Dirk übernommen hat, lächelt als bekennender BVB-Fan: „In gewisser Weise hängt der FC Bayern von uns ab!“ Denn Dortmunder Zuganker halten in München die Zugkräfte des Stadions in Schach – und sorgen dafür, dass keine Stützpfeiler den Blick aufs Spielfeld versperren.Gleiches gelte fürs neue Londoner Wembley-Station.

Die Firma verkauft weltweit. Über 80 Prozent des Jahresumsatzes von 20 Millionen Euro erwirtschaftet das 100-Mann-Unternehmen im internationalen Geschäft. Daniel Schroeder: „Unsere Zuganker gibt es auf jedem Kontinent.“

Stahlanker überspannen in Brücken Flüsse und Meeresengen – oder einfach nur Bahngleise

So bewahren die Stahl-Anker alte Kirchen vor dem Einsturz und tragen ihren Teil bei zum Hochwasserschutz von Venedig. Sie überspannen in Brücken Flüsse und Meeresengen wie bei der zweiten Bosporus-Brücke, die in den 80er Jahren gebaut wurde. Oder Bahngleise, wie die 200 Meter lange Fußgängerbrücke in der Wüstenstadt Be'er Sheva (Isreal). Und sie machen es möglich, dass Formel-1-Boliden in Abu Dhabi quasi durchs Hotel an der Strecke rasen.

Das Unternehmen verfügt als klassischer Stahlbearbeiter über einiges an Know-how. Daniel Schroeder: „Wir arbeiten auf eigenentwickelten Maschinen.“ Ein Grund, weshalb weite Teile der Produktion für Foto-Aufnahmen tabu sind.

Eine weitere Stärke des Betriebs, so der Geschäftsführer: „Wir sind für unsere Kunden jederzeit da – auch für schnelle Feuerwehreinsätze.“ Wie 1970, als die Nasa auf Cape Canaveral dringend spezielle Stahl-Anker bei einem Raketenstart brauchte.

Um vier Millimeter dicker – wegen des Salzwassers

10.000 Tonnen Stahl bringt der Betrieb pro Jahr an den Kunden – und das recht hemdsärmelig. Senior-Chef Dirk Schroeder: „Mit einigen unserer weltweiten Kunden schließen wir Verträge per Handschlag. Das zeugt von großem gegenseitigen Vertrauen.“

Dass Stahl im Salzwasser unweigerlich anfängt zu rosten, sei kein Problem. Die Korrosion ist nämlich gleichzeitig ein hervorragender Schutz. Die vier Millimeter, die in einem halben Jahrhundert oxidieren, werden bei der Produktion einfach oben draufgepackt.