Lüneburg. Sie sind die „Helden“ der Metall-Industrie: Gießerei-Mitarbeiter. Sie hantieren mit glühendem, flüssigem Eisen, das bei 1.500 Grad Celsius in die Gießpfannen rinnt. Sie trotzen fliegenden Funken, enormer Hitze, Staub und Lärm. Die Arbeit in einer Gießerei ist anstrengend. Doch wer sich einmal dafür entschieden hat, bleibt oft für immer.

„Wir sind ein Traditionsunternehmen mit geringer Fluktuation“, sagt Carsten Weißelberg, der Geschäftsführer von Focast Lüneburg, des früheren Lüneburger Eisenwerks. Fast genauso treu wie die Mitarbeiter sind die etwa 150 Kunden des Unternehmens. Zu ihnen zählen namhafte deutsche Maschinenbauer, die höchste Qualität erwarten: für ihre Werkzeugmaschinen, Kompressoren, Pumpen, Getriebe, Elektromotoren und Verpackungsmaschinen.

„Geringe Stückzahlen für ausländische Anbieter oft nicht interessant“

Mehr als 1.500 verschiedene Produkte fertigen die Lüneburger jedes Jahr. Manche wiegen nur wenige Kilogramm, andere bis zu sechs Tonnen. „Wir gießen sie in Klein- und Mittelserien“, berichtet Weißelberg. „Die geringen Stückzahlen sind für ausländische Anbieter oft nicht interessant.“ Der Geschäftsführer nennt drei Erfolgsfaktoren: „Das sind Qualität, Zeit und Preis. Unsere Produkte müssen technisch hervorragend sowie schnell produziert sein. Und das zu einem wettbewerbsfähigen Preis.“

Die Lüneburger gießen sogenannte kernintensive Teile, die hochkomplizierte Hohlräume haben. Wie bei einem 3-D-Puzzle werden dafür – je nach Kundenwunsch – bis zu zwölf Elemente zusammengesetzt. „Es gibt fast nichts, bei dem wir passen müssen“, versichert der Geschäftsführer. Von Beratung über Modellbau bis zu Grau- und Sphäroguss: Focast bietet es an. Die Mitarbeiter zerspanen, fräsen, bohren, bearbeiten Teile nach, beschichten sie mit Farben und checken am Ende die Produkte. Zudem hat Focast fast alle nationalen und internationalen Sicherheitszulassungen.

Schwere Zeit in Kooperation mit Betriebsrat bewältigt

Diese Vielseitigkeit war sicher mit ein Grund, dass schon kurz nach der Insolvenz des Lüneburger Eisenwerks im Winter 2017 die Luxemburger Ogepar-Gruppe den Norddeutschen als Investor zur Seite stand. Heute gehören die Lüneburger zu den vier Gießereien von Ogepar. Das bringt auch Synergieeffekte für die Schwesterunternehmen und umgekehrt.

Die schwere Zeit habe man in vertrauensvoller Kooperation mit Betriebsrat und Gewerkschaft bewältigt. Man habe offen mit Mitarbeitern und Kunden kommuniziert. „Sicher auch deshalb haben wir nicht einen Kunden verloren.“

Branche sorgt sich über drohende geopolitische Risiken

Nicht einen Tag stand die Arbeit still. Noch immer beschäftigt die Gießerei 130 Mitarbeiter und hat 45 Werkverträge. Gerne hätte sie mehr Azubis. Doch trotz Werbung auf Messen und in Schulen, der Erfolg bleibt aus. Weißelberg: „Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Wir gehen jetzt wie andere Gießereien auch in Osteuropa auf die Suche.“

Das Produktionsniveau der letzten Jahre sieht der Geschäftsführer für die Zukunft leicht gefährdet. Aktuell liegen die Zahlen 10 Prozent unter denen des Vorjahrs. Weißelberg macht sich wie die ganze Branche Sorgen: „Niemand weiß, was sich in den kommenden Monaten geopolitisch tut.“

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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