Letmathe/Plettenberg. Das Wissen steckt nicht mehr im Lehrbuch, sondern im Laptop, schwebt gewissermaßen als „Cloud“ über den Köpfen der Auszubildenden. Sie können jederzeit darauf zugreifen, sind untereinander und mit dem Dozenten vorn an der Tafel vernetzt – die eigentlich überflüssig wird.

„Am Laptop wird alles erklärt. Wir können Animationen und 3-D-Darstellungen einsetzen. Und das Lernsystem lässt sich mit den verschiedensten elektronischen Versuchsaufbauten kombinieren“, erklärt Ausbilder Michael Dahlmann: „Wir können etwa am offenen Modell alle Motortypen erklären. Die Azubis sehen direkt, was sich verändert, wenn sie etwas umstecken.“ Und sie können sich selbst kontrollieren.

„Das Programm sagt mir, ob ich etwas richtig oder falsch gemacht habe. Man versteht alles viel besser, kann super damit arbeiten“, sagt Mechatronik-Verbundstudentin Janine Keggenhoff, die beide Systeme, das alte und das neue, kennt. Die Digitalisierung ist in der Ausbildungsgesellschaft Mittel-Lenne (ABG) angekommen.

Mehr als 200 junge Menschen absolvieren hier überbetrieblich ihre Grundausbildung

Mit der Feile kann in der Industrie keiner mehr Geld verdienen. Da ist sich Geschäftsführer Andreas Weber sicher. Wo CNC-Maschinen automatisiert, Anlagen vernetzt und ein weltweiter Zugriff auf Daten ermöglicht werden sollen, sind ganz andere Fähigkeiten gefragt. An der Frage, wie das Thema Industrie 4.0 konkret in Lerninhalte umgesetzt werden soll, ist auch die ABG Mittel-Lenne nicht vorbeigekommen.

Mehr als 200 junge Leute jährlich absolvieren hier überbetrieblich ihre Grundausbildung in zwölf Elektro- und Metallberufen und kommen später für weitere Ausbildungsabschnitte zurück. „Wir müssen diese Zeiten sinnvoll und zukunftsweisend füllen“, sagt Weber.

Digitalisierungsprojekt wird vom Bund mit 1,25 Millionen Euro gefördert

Gemeinsam mit seinem Ausbilderteam hat er ein Projekt entwickelt, mit dem die Azubis auf die komplexen Automatisierungslösungen vorbereitet werden sollen – und das auch an höchster Stelle Anklang gefunden hat. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Programm mit 1,25 Millionen Euro. Mit dem Geld wurden die Lehrwerkstätten in Letmathe und Plettenberg mit modernster Technik ausgerüstet. Bei den Elektronikern sind die Roboter eingezogen, in der Metallwerkstatt neue CNC-Fräsmaschinen. An ihnen sollen die Azubis zukünftig verschiedene Automatisierungsvarianten des Produktionsprozesses kennenlernen.

Auf Wunsch der ABG hat die Herstellerfirma Spinner die Schnittstellen in der Steuerung offen gelassen. „Wir wollten uns kein fertiges System hinstellen“, beschreibt Weber die Projektidee: „Wir möchten den Automatisierungsprozess vermitteln, so wie er auch in der Praxis laufen könnte: Der Chef hat Geld, kauft einen Roboter und eine Maschine und möchte, dass das morgen zusammen läuft.“

Ausbilder müssen noch mal die Schulbank drücken

In der Ausbildungsgesellschaft werden die angehenden Metalltechniker und Elektroniker im dritten Lehrjahr gemeinsam an Projekten arbeiten und die erlernten Grundlagen der Roboterprogrammierung an den Maschinen anhand von praktischen Beispielen vertiefen, im Rahmen von betrieblichen Aufträgen und als Abschlussprüfungen.

Das ist auch für die Ausbilder nicht ohne: Sie mussten alle noch mal die Schulbank drücken und sich in die neue Technik einarbeiten.

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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