Friedrichshafen. Wie sind wohl Rentner so drauf? Glaubt man einschlägigen Klischees, so lösen sie Kreuzworträtsel, rupfen Unkraut und nehmen an Kaffeefahrten teil. Denkste! Dieser Mann hier lässt es sich nicht nehmen, weiter für seinen früheren Arbeitgeber ZF in Friedrichshafen an Fahrzeuggetrieben zu tüfteln: Franz Horneffer, 63 Jahre jung, Rentner seit Juni – eigentlich.
Denn im Bereich Engineering Quality der Division Pkw-Antriebstechnik gibt der Ingenieur derzeit sein Wissen weiter, wie man bei den Getrieben der nächsten Generation Fehlerquellen und damit Risiken minimieren kann. Dafür ist er genau der Richtige: „Ich war 38 Jahre bei der ZF“, sagt er, „und habe jede Entwicklung mitgemacht vom Viergang- bis zum Neungang- und Hybridgetriebe.“ Dann einfach Tschüss sagen? „Ich wollte unbedingt irgendwie dabei bleiben“, erklärt er.
So geht es immer mehr Rentnern. Das Statistische Bundesamt weiß zu berichten: Vor zehn Jahren waren nur 5 Prozent der Bundesbürger im Alter zwischen 65 und 74 Jahren noch berufstätig – aber schon 2016 betrug der Anteil 11 Prozent. In einer Umfrage des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung nannten 97 Prozent der arbeitenden Ruheständler „Spaß an der Arbeit“ als Grund. Und für 94 Prozent macht der „Kontakt mit anderen Menschen“ den Job im Alter interessant.
Hunderte Rentner haben bei ZF Interesse signalisiert
ZF nutzt den Tatendrang der Ruheständler. Der Technologiekonzern hat letztes Jahr das Projekt „Senior Professionals“ ins Leben gerufen: Rentner können im Rahmen von befristeten Projekten weiterhin arbeiten, meist in einer Beraterrolle. Dazu tragen sie einfach ihr Profil in eine Datenbank ein, die der Vermittlung dient. Projektleiter Ralf Scherer freut sich: „278 Rentner haben sich bereits registriert, und die Zahl wächst jeden Tag!“
Franz Horneffer war als Neu-Rentner nur zwei Wochen weg: „Meine Frau hatte Urlaub, da musste ich mit“, erzählt er. Danach steckte er sich wieder den ZF-Werkausweis an und ging arbeiten. „Allerdings mache ich nur 5 bis 15 Stunden pro Woche“, sagt er. Denn Umfang und Arbeitszeiten richten sich auch nach den Bedürfnissen der Ruheständler. „So habe ich keinen Druck und kann auch mal Rasen mähen“, freut sich Horneffer.
„Es ist hochinteressant, bei der Technologieentwicklung noch dabei zu sein“
Der Ingenieur arbeitete seit seinem Maschinenbau-Studium in der Konstruktion und Entwicklungsqualität von Pkw-Getrieben: „Ich weiß, bei welchen Bauteilen welche Probleme auftauchen können.“ Im Rahmen des Projekts ist es jetzt für einige Monate seine Aufgabe, den Anfrageprozess für Bauteile bei Lieferanten bezüglich der Bedeutung von Merkmalen aufzubauen. „Ein Lieferant muss wissen, welche Teile hochsensibel sind“, erklärt er. „Diesen Informationsfluss müssen wir systematisieren, weil die Lieferanten heute viel mehr in der Welt verteilt sind als früher.“
Dass er weiterhin gefragt ist, findet Horneffer super. „Nicht, dass mir langweilig wäre“, sagt er lachend. „Aber es macht Spaß und ist hochinteressant, bei der Technologieentwicklung noch ganz vorne dabei zu sein.“ Außerdem wolle er seinem Arbeitgeber auch etwas zurückgeben – schließlich habe der ihm einen guten Lebensstandard ermöglicht.
Junge und Ältere als „ideale Ergänzung“
Die Resonanz der Rentner sei super, freut sich Projektleiter Scherer. „Viele stehen regelrecht in den Startlöchern.“ Deshalb klappe die Besetzung einer Expertenstelle meist innerhalb von zwei Wochen oder noch schneller. Dabei nehmen die Rentner keineswegs Jüngeren eine Stelle weg: „Es handelt sich bei den Projekten um Aufgaben, die zusätzlich vergeben werden“, stellt Scherer klar.
Das Projekt hat ZF vor allem ins Leben gerufen, um das Know-how der langjährigen Mitarbeiter nicht zu verlieren. Martin Stahl, Leiter des Bereichs Engineering Quality, drückt es so aus: „Wir brauchen die Jungen und die Älteren, sie ergänzen sich ideal.“ Sei ein Senior Professional erst einmal da, laufe der Wissenstransfer ganz von allein – „und alle haben etwas davon“.
Persönlich
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Mein Herz schlägt für Technologien, deshalb habe ich Maschinenbau studiert und viele Jahre in der Entwicklung von Fahrzeuggetrieben gearbeitet.
Warum arbeiten Sie als Rentner weiter?
Ich bin nicht der Typ, der am letzten Tag die Tür zumacht und froh ist, endlich weg zu sein.
Wie können Sie jüngeren Kollegen helfen?
Nach 38 Jahren in der Entwicklung weiß ich, wie man Fehler und das Risiko von Ausfällen von vornherein vermeiden kann
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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