Köln. Pizza, China-Nudeln oder gleich der gesamte Wochenendeinkauf: Auch Lebensmittel werden zunehmend im Internet bestellt. Doch was, wenn die Pizza verbrannt oder die Milch sauer ist? Und welche Rechte hat der Kunde, wenn der Bote erst nach Stunden aufkreuzt, das Falsche liefert oder sogar gar nicht erst erscheint? Der Kölner Allgemeinanwalt Harald Rotter vom Deutschen Anwaltverein erklärt die Spielregeln.

Welches Widerrufsrecht gilt

„Leicht verderbliche Waren sowie Produkte, die individuell für den Kunden hergestellt wurden, fallen nicht unter das gesetzliche Widerrufsrecht“, sagt Rotter. Sowohl die Bestellung beim Pizzaservice als auch Milchprodukte, Obst und Ähnliches aus Online-Supermärkten wie AllyouneedFresh, dem Rewe Lieferservice und anderen kann man also nicht zurückgeben. So steht es ausdrücklich im Paragraf 312g des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Bei haltbaren Lebensmitteln dagegen gilt das übliche 14-tägige Widerrufsrecht, etwa bei Konserven, vielen Getränken, Zucker, Mehl usw. „Grundsätzlich dürfen online bestellte Produkte nur so getestet werden, wie dies auch im Ladengeschäft üblich wäre“, so Rotter. Bei Lebensmitteln heißt das also: Rückgabe nur in der ungeöffneten Originalverpackung. Schließlich kann man ja in Supermärkten auch nicht einfach die Flasche öffnen und probieren, ob einem der Wein wirklich schmeckt.

Wie man eine Lebensmittel-Lieferung richtig reklamiert

Ist mit der Lieferung etwas nicht okay, kann der Kunde auch bei Lebensmitteln reklamieren. Bei Problemen gibt’s aber nicht automatisch Geld zurück, egal wie genervt man ist: „Der Kunde hat auch bei Lebensmitteln zunächst nur das Recht auf Nachbesserung“, so Rotter. Zu Deutsch: Man muss sich beim Anbieter beschweren und ihm die Gelegenheit geben, seinen Fehler zu korrigieren. Welcher Ansprechpartner dazu der richtige ist, steht in der Regel auf der Seite des Portals, über das man bestellt hat.

Außerdem muss man dem Anbieter einen angemessenen Zeitraum einräumen, um das Problem zu lösen. „Welche Wartezeit angemessen ist, hängt von der genauen Situation ab“, sagt Rotter. Beim Supermarkt muss man unter Umständen die Lieferung am Folgetag akzeptieren, beim Pizzaservice dagegen sind vier Stunden definitiv zu viel.

Erst wenn der Anbieter die Lösung nicht zeitnah hinbekommt, kann der Kunde sein Geld zurückverlangen. „Hierbei muss der Kunde übrigens keine Gutscheine akzeptieren, sondern hat Anspruch auf Bargeld“, sagt Rotter. Doch was ist überhaupt ein Mangel und was muss der Kunde akzeptieren?

Was man sich von Lieferdiensten gefallen oder eben nicht auftischen lassen muss, erfahren Sie zu den folgenden Fallbeispielen:

Fall 1: Das bestellte Essen schmeckt nicht

„Ob die Zubereitung dem Kunden individuell mundet, ist Geschmackssache und damit kein Reklamationsgrund“, sagt Rotter. Auch wenn jemand Koriander oder Kümmel absolut nicht ausstehen kann, muss er es also zähneknirschend akzeptieren, wenn der Koch die Sauce damit abgeschmeckt hat.

Anders sieht die Sache dagegen aus, wenn bestimmte Dinge bei der Bestellung ausdrücklich vereinbart wurden. Ist beispielsweise Mayonnaise auf dem Burger, obwohl man ihn ausdrücklich ohne Mayo geordert hatte, kann man reklamieren. „Das ist ein Mangel, denn der Anbieter hat ja den Vertrag nicht eingehalten“, so der Jurist.

Und wenn das Essen zu salzig ist? „Bis zu einem gewissen Grad ist das natürlich Geschmackssache, manche Menschen salzen sparsamer, andere kräftiger“, so Rotter. Ist das Essen jedoch definitiv total versalzen, ist das ein Mangel und der Kunde kann reklamieren. Klar, dass man das Gericht dann auch nicht aufessen darf.

Fall 2: Die Qualität ist mangelhaft

Der gesamte Belag ist von der Pizza gerutscht, die Pommes sind matschig und kalt, die Pfirsiche sind zerquetscht, das Brot verschimmelt. „Egal, ob man im Ladengeschäft kauft oder über das Internet, die gelieferten Produkte müssen grundsätzlich einwandfrei sein“, sagt Rotter. Wenn nicht, kann der Kunde reklamieren.

Fall 3: Das Haltbarkeitsdatum ist sehr kurz oder überschritten

Ein kurzes Haltbarkeitsdatum, etwa bei Milchprodukten, ist dagegen kein Mangel – schließlich ist die Ware ja qualitativ noch völlig in Ordnung. „Der Kunde hat keinen Anspruch auf eine bestimmte ‚Restlaufzeit’ bis zum aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatum“, sagt Rotter.

Ist das Mindesthaltbarkeitsdatum dagegen überschritten, streiten die Juristen, ob es sich tatsächlich um einen Sachmangel handelt. Im Alltag kommt das aber nur sehr selten vor, denn: Händler verschicken natürlich schon im eigenen Interesse normalerweise keine abgelaufenen Produkte. Hat man trotzdem mal eines erwischt, wird kaum ein Anbieter deshalb Theater machen. In der Praxis gibt’s dann normalerweise entweder ein Ersatzprodukt oder der Kaufpreis wird erstattet.

Fall 4: Die Lieferung ist unvollständig

Egal, ob der Beilagensalat zur Nudelpfanne fehlt oder der Supermarkt vergessen hat, die Marmelade einzupacken: „In beiden Fällen muss der Händler nachliefern, denn er hat den Vertrag nicht vollständig sondern nur teilweise erfüllt“, sagt Rotter.

Fall 5: Die falschen Produkte oder Ersatzprodukte wurden geliefert

Jeder macht mal Fehler. Dann bringt der Bote statt des gewünschten Lachs-Sushis welches mit Thunfisch, statt des Erdbeerjoghurts einen mit Himbeergeschmack. Viele Supermärkte liefern auch automatisch Ersatzprodukte, wenn das eigentlich bestellte Produkt aus irgendwelchen Gründen nicht lieferbar ist, beispielsweise Bier einer anderen Marke. Wer das grundsätzlich nicht will, kann das im Kundenprofil entsprechend hinterlegen.

„Man muss selbstverständlich nur abnehmen, was man auch bestellt hat“, sagt Rotter. Der Anbieter muss solche Artikel also immer zurücknehmen, auch wenn es sich um individuell zubereitete Gerichte oder leicht verderbliche Lebensmittel handelt. Was aber nicht geht: Die falsch gelieferten Produkte aufessen und hinterher sein Geld zurückverlangen. „Mit dem Verzehr der Lebensmittel hat man die falsche Lieferung akzeptiert und muss sie auch bezahlen“, so der Jurist.

Fall 6: Der Lieferant kommt zu spät

Auch hier kommt es auf die Situation an. „Wurde ein fester Liefertermin ausdrücklich vereinbart, wie es bei Bestellungen in Online-Supermärkten üblich ist, muss sich der Lieferant auch daran halten“, sagt Rotter. Erscheint der Bote nicht, sollte man dem Anbieter erst eine Nachfrist setzen, am besten per E-Mail. Passiert dann immer noch nichts, muss man die Lieferung nicht mehr annehmen und auch nicht bezahlen.

Hat der Anbieter dagegen nur einen ungefähren Liefertermin genannt, etwa „Die Pizza kommt voraussichtlich in 30 bis 40 Minuten“, ist das nicht verbindlich. „Trotzdem muss der Kunde keine stundenlangen Wartezeiten akzeptieren“, sagt der Rechtsexperte.

Rein rechtlich gilt ein solcher Vertrag nämlich als sogenanntes Fixgeschäft. „Auch ohne ausdrückliche Terminabsprache endet der Vertrag, wenn die gesamte Bestellung durch die Verzögerung sinnlos wird“, erklärt Rotter. Kommt der um 12:00 Uhr bestellte Mittagstisch erst abends um 20:00 Uhr oder liefert der Händler die Schoko-Weihnachtsmänner erst im Januar, muss man die Ware also nicht mehr annehmen und auch nicht mehr bezahlen. Wo die Grenzen liegen, hängt aber natürlich vom Einzelfall ab.

Fall 7: Der Lieferant kommt gar nicht

„Selbstverständlich muss der Kunde keine Ware bezahlen, die er nicht erhalten hat“, sagt Rotter. Wer auf Nummer sicher gehen will, zahlt prinzipiell nur direkt beim Boten an der Haustür. Blöd dagegen, wenn das Geld bereits abgebucht wurde und der Anbieter behauptet, dass die Ware ordnungsgemäß ausgeliefert worden sei.

„Grundsätzlich trägt der Anbieter das Transportrisiko, muss die verloren gegangene Bestellung also noch einmal liefern“, so Rotter. Wie die Sachlage im Einzelfall tatsächlich aussieht, hängt aber natürlich auch davon ab, wer was beweisen kann. Deshalb ist es gut, wenn man einen Zeugen hat, der bestätigen kann, dass wirklich nichts angekommen ist. Damit wird es leichter, sich mit dem Anbieter gütlich zu einigen. Schließlich geht es in der Regel nur um ein paar Euro und wer will dafür schon vor Gericht ziehen?