Am Anfang waren sie einfache Zweckbauten. Später wuchsen sie zu Kathedralen des Fortschritts heran, um dann wieder an Bedeutung einzubüßen: Bahnhöfe erzählten immer auch viel über den Stellenwert der Eisenbahn. In Deutschland gibt es heute rund 5.400 Bahnhöfe und Bahnhofsstationen. Manche sind schmutzig und langweilig, manche postmodern kühl, manche zeugen nach wie vor von der großen Zeit der Dampflokomotiven.

Der Hauptbahnhof von Frankfurt am Main etwa, fertiggestellt im Jahr 1888, gehörte damals zu den ersten deutschen Prachtbauten der Bahnhofsarchitektur. Bahnhöfe waren zu jener Zeit mehr als nur Drehkreuze der Mobilität – sie waren zentrale Orte der Kommunikation und des Aufbruchs. Mit dem Siegeszug des Automobils wurden sie unwichtiger. Aber noch immer können Bahnhöfe faszinieren. Doch welche ragen heraus aus der Masse?

In der folgenden Bilderstrecke zeigen wir Ihnen Rekord-Bahnhöfe in Deutschland, Europa und der Welt:

Der meistgenutzte Bahnhof der Welt: Shinjuku in Tokio

In der Hauptverkehrszeit steigen hier 500 Fahrgäste ein und aus – pro Sekunde. Der Shinjuku-Bahnhof im Westen Tokios gilt als der meistbesuchte Bahnhof der Welt. Zwischen drei und vier Millionen Menschen nutzen täglich diesen Irrgarten aus S- und U-Bahn-Bahnstationen sowie Einkaufspassagen.

Zum Vergleich: Der größte deutsche Bahnhof – der Hamburger Hauptbahnhof – kommt gerade mal auf maximal 500.000 Reisende täglich. Wer sich nicht auskennt, kann sich in einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der japanischen Hauptstadt regelrecht verlieren. Und Platzangst sollte man auch nicht haben: Sind die Züge voll, drücken sogenannte Fahrgastverdichter die Menschen von außen in die Waggons.

Der größte Bahnhof der Welt: Grand Central Terminal in New York

Der Grand Central Terminal im Big Apple ist eine amerikanische Legende: Gemessen an den Gleisen (67) und seiner Fläche (200.000 Quadratmeter) ist er der größte Bahnhof der Welt – und vielleicht auch der schönste. Das Luxus-Hotel „Waldorf Astoria“ hat hier sogar einen eigenen Bahnsteig, den die Gäste über einen unterirdischen Gang erreichen können. Außerdem gibt es einen Tennisklub und ein Fundbüro, das rund 50.000 verloren gegangene Gegenstände pro Jahr annimmt.

Am 2. Februar 1913 wurde der Endbahnhof mit seiner riesigen Wartehalle eingeweiht, durch die heute etwa 750.000 Menschen pro Tag laufen. In den 1970er-Jahren wäre die architektonische Schönheit aus der „Belle Époque“ beinahe abgerissen worden, doch zum Glück kam es anders.

Der teuerste Bahnhof der Welt: „Oculus“ in New York

In New York steht nicht nur der größte Bahnhof, sondern auch der teuerste: „Oculus“ heißt der erst kürzlich eröffnete Verkehrsknotenpunkt neben dem Anschlagsort vom 11. September 2001. Den unterirdischen Bahnhof mit seiner vogelartig geschwungenen Halle entwarf der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava. Doch der Bau dauerte nicht nur erheblich länger als geplant, sondern wurde mit umgerechnet 3,5 Milliarden Euro auch doppelt so teuer wie ursprünglich vorgesehen.

Rund 200.000 Pendler täglich sollen die kostspielige Station in Manhattan, deren Form Calatrava mit einer Taube verglich, einmal nutzen. Damit wäre „Oculus“ der drittgrößte Verkehrsknotenpunkt der amerikanischen Metropole.

Der höchstgelegene Bahnhof der Welt: „Tanggula“ (Tibet)

Passagiere steigen hier weder ein noch aus: An der höchsten Bahnstation der Welt namens „Tanggula“ halten Züge nur, um Gegenverkehr vorbeizulassen. Das Bahnhofsgebäude im Autonomen Gebiet Tibet der Volksrepublik China dient lediglich als Materiallager, ist aber dennoch ein echter Höhepunkt. Denn kein Bahnhof liegt höher als Tanggula, was übersetzt heißt: „Berg, den nicht mal ein Adler überwinden kann“.

Die Bahnstation liegt 5.068 Meter über dem Meeresspiegel und gehört zur Lhasa-Bahn, die die chinesische Provinz Qinghai mit Lhasa, der Hauptstadt Tibets, verbindet. An der Station Tanggula kann es bis minus 30 Grad kalt werden, außerdem herrscht akute Sauerstoff-Knappheit. Die Züge verfügen deshalb über eine zusätzliche Sauerstoff-Versorgung.

Der tiefste U-Bahn-Bahnhof der Welt: Arsenalna in Kiew (Ukraine)

Überaus lange Rolltreppen führen zu einigen Stationen der U-Bahn in Kiew hinab. Eine liegt besonders weit unten. Die Station Arsenalna liegt genau 105,5 Meter tief und gilt damit als der tiefste U-Bahn-Bahnhof der Welt. Diese Bauweise hängt vor allem mit den Bedrohungen des Kalten Kriegs zusammen: Einige Stationen der 1960 eingeweihten Kiewer Metro dienten als Schutzeinrichtungen im Krisenfall.

Der trat zum Glück nicht ein, und deshalb kann die Schönheit von Arsenalna noch heute bewundert werden. Die Architektur ist für eine U-Bahn-Station außergewöhnlich prunkvoll und sollte einst den Stolz der Arbeiterklasse ausdrücken. Rund 26.000 Gäste nutzen täglich den hübschen Rekord-Haltepunkt der Kiewer Linie 1.

Der südlichste Bahnhof Deutschlands: Oberstdorf im Allgäu

Der Bahnhof von Oberstdorf liegt 828 Meter über dem Meeresspiegel. Nichts Außergewöhnliches. Dennoch ist er Rekordhalter: Kein deutscher Bahnhaltepunkt liegt südlicher. Oberstdorf ist der Endpunkt der Strecke Immenstadt–Oberstdorf. Wer hier aussteigt, will in der Regel Ski fahren und das beeindruckende Alpenpanorama genießen. Aber auch der Bahnhof selbst ist schön anzusehen.

Die 2001 gebaute Holzkonstruktion bekam 2006 sogar den Titel „bester Kleinstadt-Bahnhof“ zuerkannt – einer von mehreren Preisen, die regelmäßig von der „Allianz pro Schiene“ für bundesweit hervorragende Bahnhöfe aus Kundensicht vergeben werden. Immerhin fünf Gleise gibt es hier, auf denen täglich rund 40 Züge halten. Das Gegenstück zum Bahnhof Oberstdorf liegt etwa 1.000 Kilometer entfernt: Der Bahnhof Westerland auf Sylt ist etwa 90 Jahre alt und darf sich Deutschlands nördlichster Bahn-Halt nennen.

Der längste Hallenbahnhof Deutschlands: Berlin-Spandau

Berlin-Spandau hat zwar keinen geografischen, dafür aber einen architektonischen Deutschland-Rekord zu bieten: Der dortige Bahnhof hat ein Dach von 432 Meter Länge – keine Bahnsteighalle in Deutschland ist damit länger. Die Glasflächen des von 1996 bis 1998 gebauten Palasts sind 20.000 Quadratmeter groß.

Wegen der sichttrübenden Schmutzablagerungen sollten sie eigentlich regelmäßig von vier ferngesteuerten Putzrobotern gereinigt werden. Doch aktuell streikt die Technik, weshalb die Reinigung vorübergehend von Hand übernommen wird. Der Bahnhof Berlin-Spandau wurde vom bekannten Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner geplant. Mehrere ICE-, IC- und Regionallinien machen hier Halt.

Der älteste Bahnhof Deutschlands: Vienenburg

Die erste staatliche Eisenbahnstrecke Deutschlands führte ab 1838 von Braunschweig nach Wolfenbüttel in Niedersachsen. Kurze Zeit später wurde die „Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn“ in Richtung Bad Harzburg erweitert. Die Gleise führten auch durch den kleinen Ort Vienenburg, wo ab 1838 ein Bahnhof gebaut wurde, den es noch heute gibt.

In Deutschlands ältesten noch erhaltenem Bahnhofsgebäude befinden sich heute ein Café, die Touristeninformation und das örtliche Eisenbahnmuseum. Gleich nebenan hat die Gemeinde mit ihren etwa 5.000 Einwohnern ein weiteres Gebäude mit Geschichte zu bieten: Im Kaisersaal machte 1875 kein Geringerer als Kaiser Wilhelm I. Station.

Der größte Rangierbahnhof der Welt: Bailey Yard im US-Bundesstaat Nebraska

Viele Menschen haben ihn bisher nicht zu Gesicht bekommen, denn hier macht kein Personenzug Halt: Der Rangierbahnhof Bailey Yard nahe der Kleinstadt North Platte im US-Staat Nebraska ist ein Gigant. Er ist rund 12 Quadratkilometer groß, 13 Kilometer lang und umfasst 507 Gleiskilometer, auf denen sich rund 15.000 Güterzüge täglich bewegen. Damit gibt es weltweit keinen größeren Rangierbahnhof.

Gleich danach folgt übrigens ein deutscher Güterzug-Knotenpunkt: Der Rangierbahnhof Maschen bei Hamburg hat immerhin 300 Kilometer Gleisanlagen zu bieten. In Europa ist er damit die unangefochtene Nummer eins. Das Maschener Ungetüm wurde zwischen 1977 und 1980 schrittweise eröffnet und ersetzte mehrere Hamburger Rangierbahnhöfe, die als veraltet galten.

Der Bahnhof mit dem längsten Namen Europas: Llan­fair­pwll­gwyn­gyll­go­gery­chwyrn­dro­bwll­llan­ty­si­lio­go­go­goch (Wales)

Da versteht man nur noch Bahnhof: „Llan­fair­pwll­gwyn­gyll­go­gery­chwyrn­dro­bwll­llan­ty­si­lio­go­go­goch“ heißt die kleine Gemeinde im Nordwesten von Wales, die damit den längsten Ortsnamen Europas trägt. Den entsprechenden Rekord hält damit auch der viktorianische Bahnhof des etwa 3.000 Einwohner großen Städtchens. Im Walisischen bedeutet das 58 Buchstaben umfassende Wortungetüm: „Marienkirche in einer Mulde weißer Haseln in der Nähe eines schnellen Wirbels und der Thysiliokirche bei der roten Höhle“.

Ein Schuhmacher soll sich im 19. Jahrhundert den Schabernack ausgedacht haben, um das Dorf interessanter zu machen. Das gelang ihm auch. Noch immer reist kaum ein Tourist wieder ab, ohne ein Foto vom meterlangen Bahnhofsschild zu machen. Die Einheimischen ersparen sich übrigens den Zungenbrecher. Sie sagen einfach „Llanfairpwll“

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

Alle Beiträge des Autors