Ochsenhausen. Freitagnachmittag im Gymnasium in Ochsenhausen, das Gebäude ist leer gefegt. Dennoch sitzen Schüler über Laptops, löten an einer Platine, programmieren 3-D-Drucker, ein Akkuschrauber surrt – sie sind freiwillig hier. Weitere junge Leute betreten den Raum, werfen Rucksäcke und Jacken in die Ecke, schnappen sich Werkzeug.

Ohne Hemmungen alles probieren, es darf auch mal schiefgehen

Vom Zweitklässler bis zum Abiturienten treffen sie sich jeden Freitag, manchmal auch am Wochenende und in den Ferien. Sie arbeiten dann im Schüler-Forschungszentrum Südwürttemberg (SFZ) an ihren Projekten. Die kostenlose Bildungseinrichtung steht allen an Naturwissenschaft interessierten Schülern offen.

aktiv traf Lehrer Tobias Beck, pädagogischer Leiter des SFZ Südwürttemberg, in Ochsenhausen. Er unterrichtet Mathematik, Physik sowie Naturwissenschaft und Technik (NwT).

Zum Lehrer wurde Beck über Umwege: Dem Physikstudium folgte eine Ausbildung zum Wissenschaftsjournalisten. Und dann der Quereinstieg in die Schule: „Das ist der tollste Beruf der Welt“, sagt Beck und seine Augen strahlen.

Er wirft einen Blick in die Runde, ob jemand seine Hilfe benötigt. „Wir sind hier wie ein Sportverein“, erklärt er. „Wir schaffen Möglichkeiten, mit denen Kinder und Jugendliche ihr Interesse und ihr Wissen in den MINT-Fächern auch außerhalb des Unterrichts vertiefen können.“

Es geht also um Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Dazu gehören für Beck, der selbst als Schüler an einer Physik-AG teilnahm, nicht nur gut ausgestattete Räume - sondern vor allem ein engagiertes Team. Beim SFZ arbeiten Lehrer, Ehrenamtliche und ehemalige Schüler.

„Wie beim Sport geht es auch im SFZ um Motivation und Wettbewerb“, so Beck. Und zeigt im Flur ausgezeichnete Projekte des SFZ und Plakate für Wettbewerbe wie „Jugend forscht“. Gegenüber hängen Poster von Nobelpreisträgern.

Knapp 5 Prozent der Schüler am Gymnasium nehmen jährlich an Wettbewerben für Jungforscher teil. Leistungsdruck gibt es hier trotzdem nicht: „Jeder kann ohne Hemmungen alles ausprobieren, es darf schiefgehen.“ Beck liegt die Zukunft der Schüler am Herzen, er kümmert sich auch um die Vernetzung mit Unternehmen.

Eine Erfolgsgeschichte dazu kommt zum Beispiel vom Schüler Simon Dürrstein: Der gewann mit seiner Maschine zum Test der Schneidfähigkeit von OP-Scheren den Innovationswettbewerb des Medizintechnik-Unternehmens Aesculap in Tuttlingen – und darf nun seine Erfindung in der Forschungsabteilung des Unternehmens weiterentwickeln.

„Möglich ist so etwas nur dank der Unterstützung vieler Personen, Institutionen und Unternehmen“, sagt Beck. „Was wir hier machen, kostet Geld und Zeit.“ Die Schüler wissen das zu schätzen, sie sind mit Feuereifer bei der Sache: Abiturient Lars Pottgüter, seit fünf Jahren dabei, legt letzte Hand an eine von ihm konstruierte 5-Achs-CNC-Fräse.

Daneben bauen zwei Jungs eine Seifenkiste mit Akkuschrauber-Antrieb. Kollegin Nadja Titze, Lehrerin für NwT, Französisch und Geologie, bespricht währenddessen mit zwei Schülern, wie sie ihre Rezeptur für eine biologisch abbaubare Folie aus Essig, Stärke und Gelatine verbessern können. Eine Gruppe tüftelt an einem Gummibärchen-Rezept mit zahnfreundlichem Birkenzucker.

Mehrfache Auszeichnungen für das großartige Engagement

Auch Lehrerin Natalya Wenzlawski vom benachbarten Laupheimer Gymnasium gehört zum Team. Sie entwickelt mit einem 15-Jährigen einen Roboter für den RoboCup-Wettbewerb.

Beck blickt stolz auf die Nachwuchsforscher: „Wir bilden hier Persönlichkeiten aus. Es gehört einiges dazu, eine Idee umzusetzen, sie wettbewerbsreif zu machen und sich durchzubeißen. Man muss Rückschläge verkraften, lernt aber auch die Motivation einer Auszeichnung kennen.“ Der 43-Jährige weiß, wovon er spricht: Für sein Engagement im Lehrberuf wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich bin Quereinsteiger und habe nach einem Physik-Studium und einer journalistischen Ausbildung mein Interesse am System Schule entdeckt. Hier will ich etwas bewegen.

Worauf kommt es an?

Ich bin leidenschaftlich an den Ideen junger Leute interessiert und will ihnen Möglichkeiten geben, sie umzusetzen.

Was reizt Sie daran?

Der Austausch mit Schülern und Kollegen ist unglaublich inspirierend.

Andrea Veyhle
Autorin

Nach dem Germanistik- und Anglistik-Studium absolvierte Andrea Veyhle ein Volontariat und arbeitete für eine Agentur. Seit 2007 ist sie freiberuflich für verschiedene Verlage tätig. Für aktiv berichtet sie in Reportagen über die Chemie in Baden-Württemberg und stellt mit Porträts die vielseitigen Berufsbilder der Branche vor. Außerdem erklärt sie, wo uns chemische Produkte im Alltag begegnen. In ihrer Freizeit experimentiert sie gerne in der Küche, Kalorien strampelt sie auf dem Rennrad wieder ab.

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