Es ist nicht ganz die grüne Wiese, um die sich Oliver Meiers Berufsleben in den vergangenen zwei Jahren gedreht hat. Sondern eine rund 15.000 Quadratmeter große Fläche mit Gebäudefragmenten auf der Friesenheimer Rheininsel in Mannheim, gleich gegenüber des Ludwigshafener BASF-Geländes auf der anderen Rheinseite. Und doch ist das Wasserstoff (H2)-Abfüllcenter „H2ub“, für das Air Liquide nun mit den Erdarbeiten beginnt, ziemlich genau das, was ihn als Business Developer des Industriegaseherstellers antreibt: „Mir macht es einfach Spaß, wenn da im Augenblick eine grüne Wiese ist, auf der hinterher ein Werk steht, das ein Stück Zukunft bedeutet“, sagt der 52-Jährige.
Dringende Anfragen an der Schnittstelle
Sein offizieller Titel beim französischen Konzern lautet seit Kurzem „Director Hydrogen Energy“ für Zentraleuropa. Zuvor hatte er sich als „Sourcing Manager“ an der Schnittstelle zwischen Produktion und Transport darum gekümmert, dass Wasserstoff für Kunden verfügbar ist.
An dieser Schnittstelle hat Oliver Meier immer dringlichere Anfragen erhalten: „Wir müssen Brennstoffzellen testen, wir wollen unsere Busflotte auf Brennstoffzellen-Fahrzeuge umstellen, wir wollen eine Zugstrecke elektrifizieren – habt ihr Wasserstoff?“ War vor zehn Jahren noch vieles im Demonstrationsstadium, geht es den Kunden heute zunehmend um die konkrete Anwendung von Wasserstoff. Vor allem für schwere Nutzfahrzeuge, für die sich Batterien als emissionsfreier Antrieb kaum eignen.
Wasserstoff für Nahverkehr und Industrie
„Als Leiter des Sourcings konnte ich dann immer nur auf unser bisheriges Füllwerk in Ludwigshafen hinweisen. Aber die inzwischen angefragten Mengen haben wir dort gar nicht.“ Also arbeitete Meier an einem Vertrag für ein neues Füllwerk mit deutlich größeren Kapazitäten: Aus dem neuen „H2ub“ sollen ab Mitte 2023 Züge und Busse des öffentlichen Nahverkehrs, Lkws und Pkws in der Metropolregion Rhein-Neckar mit Wasserstoff versorgt werden. Etwa drei Tonnen Wasserstoff pro Tag wird es dafür zur Verfügung stellen – gefördert durch das Bundesverkehrsministerium im Rahmen des Projekts „H2Rivers“, das die gesamte Wertschöpfungskette von der Herstellung bis zur Verteilung von Wasserstoff abbildet. BASF übernimmt die Produktion, Air Liquide Abfüllung und Verteilung des grün zertifizierten Wasserstoffs. Auch die Industriekunden in der Region wird das Hochdruck-Abfüllcenter versorgen.
„Wie schon für das bestehende sind wir auch für das neue Werk noch einmal mit der BASF ins Gespräch gegangen“, sagt Oliver Meier. Gespräche – davon hat der studierte Verfahrensingenieur einige geführt: „Man braucht ein gewisses Faible dafür, sich mit Menschen stundenlang in einen Raum zu setzen und über einen Vertrag zu verhandeln. Am Ende muss ich immer abwägen, welche Zugeständnisse ich machen kann und worauf ich beharren muss – und das fürs Management übersetzen können.“ Denn beim neuen Werk geht es um einige Millionen. „Da brauchen wir natürlich Kunden, die den Wasserstoff kaufen. Deshalb stimme ich mich auch eng mit dem Vertrieb ab: Welche Qualität wird in welcher Menge benötigt und wann?“
Wenn dann am Ende des Verhandlungsprozesses tatsächlich ein Stück Papier auf dem Tisch liegt, das beide Seiten unterschrieben haben, ist das für den erfahrenen Verhandler immer noch ein besonderer Moment: „Da ist schon Euphorie im Spiel, wenn klar ist, dass sich die zwei Jahre Verhandlungen gelohnt haben und da jetzt etwas entstehen kann, hinter dem alle stehen.“
Dann geht es an die Umsetzung – „und mit der Stimmung relativ schnell zurück auf Normalniveau“, sagt er und lacht. „Jetzt ist meine Aufgabe eher, an der Seitenlinie zu schauen, ob auf dem Feld alles im Sinne des Vertrags läuft.“ Vor allem Ingenieure wie er setzen den Vertrag um – angefangen bei den Bau- und Betriebsgenehmigungen bis zum monatlichen Status-Meeting mit dem Manager der deutschen Air-Liquide-Landesgesellschaft.
Bis Air Liquide mit H2ub an den Start geht, freut Oliver Meier sich über Etappenziele: das Audit bei der BASF, das dem Wasserstoff die hohe Reinheit bescheinigt hat, die er für den Einsatz in der Mobilität braucht. Oder die unterschiedlichen Vorstellungen zu Preisen und Kosten, die er wegmoderieren will. Dazwischen liegen noch einige Stunden Verhandlungsgespräche. Aber für die hat Meier ja ein Faible.
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