Herzogenaurach. Kälte und Hitze sind für Christian Schuster kein Problem – und schwindelfrei ist er auch. Das muss der Industriemechaniker auch sein, denn wenn er im Auftrag von Schaeffler rund um den Globus Speziallager wartet, dann muss er oft hoch hinaus. Zum Beispiel auf das größte Riesenrad Europas, das „London Eye“ an der Themse.

Dieses Wahrzeichen der englischen Hauptstadt misst 135 Meter und bringt 2.100 Tonnen auf die Waage. Die Nabe des Riesenrads ruht in Speziallagern mit einem Außendurchmesser von über 2,62 Metern. Beide Lager sollen laut Berechnungen mehr als 50 Jahre halten. Alle zwölf Monate unterziehen Schuster und seine Kollegen deshalb die Lager einer Revision.

Für ebendiese Einsätze ist Schwindelfreiheit eine der Voraussetzungen. „Dazu kommen Trainings zur Höhentauglichkeit und Höhenrettung“, erklärt der 33-Jährige. Und auch das sogenannte Helicopter-Underwater- Escape-Training. Dies ist Vorschrift für Arbeiter, die oft per Hubschrauber auf Offshore-Windkraftanlagen oder Öl- und Gasförderplattformen fliegen.

Für die Revisionen gelten enge Zeitvorgaben

Seit 2007 ist Schuster Spezialist für besondere Fälle und einer von sieben Mitarbeitern des Schaeffler-Montageservices. Sie werden immer dann gerufen, wenn es um Präzisionsarbeiten bei gigantischen Hightech-Bauteilen geht. Etwa zur Stauwehranlage im niederländischen Hagestein. Dort hat Schuster vor Kurzem die Pendelrollenlager ausgetauscht.

Sie sitzen an der Seilwinde, welche die zwei je 270 Tonnen schweren Wehrtore hochziehen. Die Stauanlage regelt seit 1958 den Wasserstand des Flusses Lek, der Teil einer wichtigen Wasserstraßenverbindung zwischen Deutschland und Rotterdam ist.

Die Gegebenheiten am Montageort sind in der Regel eine große Herausforderung. Denn trotz aller Absprachen ist die Situation vor Ort immer wieder anders. Nur eines ist immer gleich: Es gibt einen festen Fertigstellungstermin. Das Zeitfenster müssen die Schaeffler-Monteure unbedingt einhalten. „Trotz enger Zeitvorgaben müssen wir millimetergenau arbeiten“, erklärt Montageprofi Schuster. „Einfach rein und fertig – das funktioniert mit unseren Präzisionsbauteilen nun mal nicht. Da wäre der nächste Schaden gleich programmiert.“

Eine Woche dauert das Abarbeiten eines solchen Spezialauftrags im Schnitt. Dazu kommen die ganzen Vorarbeiten wie die Auswahl des erforderlichen externen Montagepersonals, die Spezifikation des Bauteils, das Organisieren der Ausrüstung und des Werkzeugs.

Der Montageservice war eine der Ausbildungsstationen

Reizen Schuster denn auch die fremden Länder mit ihrer eigenen Kultur? „Ja, das ist jedes Mal sehr spannend“, sagt er. „Allerdings lassen viele unserer Projekte vom Timing her kaum Zeit für Land und Leute übrig.“ Aber immerhin ermöglicht die Zusammenarbeit mit den einheimischen Kollegen vor Ort einen kleinen Einblick in deren Alltag. „Und manchmal geht der Auftrag auch über ein Wochenende, an dem vielleicht nicht ganz so lange gearbeitet wird.“

Für Schuster ist seine Arbeit ein absoluter Traumjob, trotz der wechselnden Einsatzorte. „Und zum Glück akzeptiert meine Familie meine Abwesenheiten“, sagt der zweifache Familienvater. Schon während seiner Ausbildung zum Industriemechaniker bei Schaeffler hat Schuster den Montageservice kennengelernt und ist von einem damaligen Ausbildungskollegen angesprochen worden: „Das ist doch genau das Richtige für dich! “ Und so lief für ihn alles rund. 

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Schon zum Ende meiner Ausbildungszeit als Industriemechaniker wusste ich, dass ich unbedingt mit dem Endprodukt Wälzlager arbeiten wollte. Und das hat geklappt!

Was reizt Sie am meisten?

Ich liebe die Herausforderung – und bei meinem Job ist jeder Auftrag aufgrund der spezifischen Gegebenheiten anders.

Worauf kommt es an?

Sehr präzise zu arbeiten. Obwohl wir es mit großen Teilen und Anlagen zu tun haben, ist alles Maßarbeit.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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