Regensburg. Ein gepackter Koffer steht bei Uwe Seltsam (41) immer bereit. Und auch gedanklich ist der Elektro-Ingenieur stets darauf vorbereitet, in den nächsten Flieger nach Amerika, Afrika oder Asien zu steigen. „In meinem Job weiß man morgens nicht immer, auf welchem Kontinent man abends ins Bett geht“, sagt der Leiter des technischen Service der Maschinenfabrik Reinhausen.

Seltsam und seine weltweit rund 200 Kollegen kümmern sich um den Service für Stufenschalter, für die das Regensburger Familienunternehmen bekannt ist. Stufenschalter regulieren die Netzspannung von Leistungstransformatoren und werden vor allem bei der Stromerzeugung, aber auch in der Industrie eingesetzt.

Die Aufgabe der Service-Abteilung umfasst langfristig geplante Wartungen und Reparaturen beim Kunden. Wenn im Notfall aber ganz plötzlich nichts mehr geht, hat es schnell zu gehen. Dann muss einer von sieben speziell geschulten „Störungsbearbeitern“ ran. „Eine Art Feuerwehr“, sagt Seltsam über das kleine Team.

Bevor er 2014 die Leitung der gesamten Service-Abteilung übernahm, war er selbst Störungsbearbeiter. Zehn Jahre lang ging es bei Notfällen in den Einsatz – oft 140 Tage und mehr im Jahr. Auch heute fährt er ab und zu noch selbst raus zum Kunden. „Ich mache das gerne. Aber mit meiner nun größeren Verantwortung ist das nur deutlich seltener machbar.“

Eine technische Störung kostet Kunden bis zu 500.000 Euro am Tag

Zu tun ist immer was. 270.000 Stufenschalter hat die Maschinenfabrik Reinhausen in den vergangenen Jahrzehnten in alle Welt ausgeliefert. Die meisten davon sind immer noch im Betrieb. Kommt es zum Defekt, kann es für Kunden richtig teuer werden, vor allem, wenn ganze Produktionsprozesse gestoppt werden müssen. „Wir reden da über bis zu 500.000 Euro pro Tag“, sagt Seltsam. Das ist viel Geld. Und viel Verantwortung. Weil es schnell gehen muss, kommt es auf eine gute Vorbereitung an. „Ein gültiges Visum für Russland zum Beispiel oder eine Gelbfieber-Impfung bekommt man ja nicht auf die Schnelle.“ Und auf Trafostationen von Offshore-Windkraftanlagen etwa dürften nur Mitarbeiter mit einer speziellen Sicherheitsausbildung.

Jeder Einsatz ist anders – das weiß Uwe Seltsam aus Erfahrung. Nach Italien flog er einmal ganz fix im Firmenjet eines dort ansässigen Stahl-Produzenten. Besonders langwierig war dagegen eine Anreise in den Kongo, sie dauerte 36 Stunden, am Ende fuhr man per Auto quer durch den afrikanischen Busch. Und anstatt sich nach der Ankunft erst einmal zu erholen, ging man gleich ans Reparieren, mit improvisierten Ersatzteilen, knöcheltief im Trafo-Öl.

„Es ist immer schwer, für unser Team die passenden Leute zu finden“

„Das Hotel entsprach dann leider nicht europäischen Standards“, erzählt Seltsam mit einem Schmunzeln im Gesicht. Unkonventionelle Unterkünfte sei er aber gewohnt. In Island etwa musste er vor einigen Jahren zu einem entlegenen Wasserwerk – und übernachtete tagelang im Wohncontainer.

Solch schwierige Arbeitsbedingungen sind nicht für jeden was. Das Privatleben muss hinter der ständigen Verfügbarkeit ein Stück weit zurückstehen. In Seltsams Team sind nur Männer; fünf von sieben, auch er selbst, sind unverheiratet.

„Es ist immer schwer, für unser Team die passenden Leute zu finden“, berichtet er. Auch die fachlichen Anforderungen seien hoch: „Wer im Notfall allein rausgeht, muss als Ingenieur theoretisches Wissen mitbringen, handwerklich geschickt sein und auch in fremden Kulturkreisen gut mit Menschen können.“ Aber das Wichtigste ist Flexibilität: „Wer Routine will“, sagt Uwe Seltsam, „ist hier falsch.“

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ein Freund hat mir geraten, mich hier zu bewerben. Dass dann Jahre später eine Stelle als Störungsbearbeiter frei wurde, war pures Glück.

Was reizt Sie am meisten?

Die Abwechslung! Mit Routine im Job kann ich überhaupt nichts anfangen.

Worauf kommt es an?

Man muss sehr flexibel sein. Außerdem benötigt man technisches Wissen und handwerkliches Geschick. Und man muss feinfühlig mit Kunden umgehen können.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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