Beim täglichen Rundgang durch die Montagebereiche der Neptun Werft in Rostock-Warnemünde lässt Bereichsmeister Roland Kowalke die vertraute Atmosphäre von Elektrodenblitzen, Farbgeruch und Stahlschlägen stets auf sich wirken, als wäre es das erste Mal. Das schütze vor Routine und bewahre vor einem allzu flüchtigen Blick, sagt der 59-Jährige.

In den 42 Jahren, in denen er nun schon auf der Werft arbeitet, hat er als Lehrling noch erlebt, wie unter freiem Himmel auf der Helling tonnenschwere Bauteile zusammengesetzt wurden. Es wurde rangeklotzt, erzählt Kowalke, und jeder habe bei der gefährlichen Arbeit auf den anderen Acht gegeben. Frachtschiffe haben sie gebaut, quasi im Akkord, auf drei Hellingen zugleich.

Interesse an Handwerklichem

Die bereits 1850 gegründete Neptun Werft hatte da noch ihren alten Platz im Rostocker Stadtgebiet. „Ich wollte was Handwerkliches machen“, begründet Kowalke seine Entscheidung für den Schiffbau.

Zu Beginn der 80er Jahre gab es in seiner Geburtsstadt noch etliche Unternehmen mit jeweils mehreren Tausend Mitarbeitern, darunter einige Werften. Die zogen junge Menschen magnetisch an, denn „dort wurde gutes Geld verdient“.

Schwierige Zeiten nach der Wende

Ein Jahrzehnt später, nach der Wende, hatten sich die Verhältnisse grundlegend geändert. Auf politisches Geheiß schrumpfte die Branche im Nordosten, bei Neptun durften keine neuen Schiffe mehr gebaut werden. Viele Mitarbeiter verloren ihre Jobs.

Kowalke hatte Glück, als junger Familienvater mit zwei kleinen Kindern durfte er bleiben. „Wir konnten Stahl, was machen wir jetzt daraus? Das war die Frage, die uns bewegte“, erzählt der Rostocker.

Die Rückkehr des Schiffbaus

Neptun ging in mehreren kleineren Unternehmen auf, die sich dem Markt anpassten. Fortan wurden unter anderem Lukendeckel und Brückenkrane gefertigt sowie Schiffe repariert.

Ende der 90er Jahre kehrte der Schiffbau zurück. Die Papenburger Meyer Werft übernahm den Kernbereich von Neptun und verlagerte die Werft aus der Innenstadt nach Warnemünde in Nachbarschaft zur dortigen Großwerft. Neben Spezialschiffen wie Doppelendfähren und LNG-Tankern wurden vor allem Flusskreuzfahrtschiffe gebaut, mehr als 75 bis heute.

Maßarbeit gefragt

Die schwimmenden Hotels seien eine echte Herausforderung, da es bei der Innenausstattung sehr auf handwerkliche Sorgfalt ankommt, sagt Kowalke und fügt hinzu: „Maßarbeit ist aber auch im Stahlbau gefragt.“ Umso mehr, da heutzutage große Schiffsneubauten nicht mehr nur an einem Standort entstehen.

Seit einigen Jahren ist Neptun innerhalb der Meyer-Gruppe darauf spezialisiert, komplette Maschinenraum-Module, sogenannte Floating Engine Room Units (FERU), zu bauen und an die Werften in Papenburg und im finnischen Turku zu liefern. Mit 140 Meter Länge und 42 Meter Breite haben die FERU bereits die Dimension von Schiffen.

Die alte Montagehalle ist heute ein Parkhaus

Den Bereichsmeister Montage ficht es nicht an, dass heute keine ganzen Schiffe mehr die Werft verlassen. Stolz schwingt mit, als er betont, bei Neptun würde schließlich die „Herzstücke von Kreuzfahrtschiffen“ entstehen.

Ein Arbeitsleben bei Neptun, das steckt tief in den Kleidern. Zuweilen besucht Roland Kowalke zum Einkaufen das einstige Werftgelände in der Stadt. In der alten Montagehalle, wo nun Autos parken, schweift der Blick oft in die Ecke – dahin, wo immer seine Werkzeugkiste stand.