Mainburg. Früher war nicht alles besser. Aber manches aus der Zeit vor Corona vermisst Georg Ziegltrum (51) schon sehr. „Vor allem der zwischenmenschliche Kontakt fehlt mir“, sagt der Leiter der Wolf-Akademie im niederbayerischen Mainburg.
Seit mehr als 20 Jahren leitet Ziegltrum nun schon Weiterbildungskurse. Dabei erklärt er Handwerkern zum Beispiel Einbau, Wartung und Reparatur der neuesten Heizungen oder Architekten und Planern die aktuellen Förderprogramme zur Energieeffizienz. Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr geschieht dies nun allerdings kaum noch von Angesicht zu Angesicht, sondern fast nur noch online via Bildschirm.
Der Theorieanteil ist online deutlich höher als früher
Mitte März war es, als das Akademieprogramm der Wolf Gruppe, einem führenden Hersteller von Heiz- und Klimatechnik mit mehr als 2.000 Mitarbeitern, komplett umgekrempelt werden musste. 90 Prozent der Weiterbildung fanden vor Corona in Präsenzschulungen statt, etwa an den Standorten Mainburg, Koblenz, Osnabrück und Berlin. Mehr als 6.000 Teilnehmer lernten dort jährlich. Etwa die gleiche Zahl besuchte im Ausland dezentrale Präsenzangebote.
Zwar hatte das zehnköpfige Referenten-Team auch vorher schon einzelne Angebote im Internet gemacht. So richtig mitgezogen hatten die Kunden jedoch nicht. Das ist nun anders. Das Online-Angebot mit einem zwangsläufig höheren Theorieanteil werde insbesondere von Planern, Architekten und Berufsschullehrern stark genutzt, berichtet der Akademieleiter. „Sie sind es gewohnt, mehrere Stunden am Tag konzentriert vor dem Bildschirm zu verbringen“, berichtet er. „Das merkt man.“
Heizungsinstallateure der alten Schule würden sich mit den neuen Angeboten schwerer tun, berichtet Ziegltrum. „Praktisch arbeiten ist Handwerkern immer wichtig, auch in einer Schulung.“ In Präsenzseminaren hatten die Teilnehmer einzeln oft konkrete Probleme an Heizungen zu lösen, konnten aber bei anderen abschauen. So entstanden Diskussionen. „Die Kurse waren so immer sehr persönlich und zwanglos“, berichtet der Akademieleiter. „Das ist nun derzeit leider nicht mehr darstellbar.“
Mit Internet-Seminaren spart man Zeit und Reisekosten
Auch wenn Ziegltrum die neuen Möglichkeiten gerade in der Zeit der Corona-Einschränkungen sehr schätzt – auch ihm fehlt manchmal der direkte Kontakt. „Online geht es anonymer zu, die Menschen sind zurückhaltender, und die Kommunikation leidet“, berichtet er. Als Seminarleiter fehlen ihm insbesondere die Rückmeldungen der Teilnehmer. „So weiß ich nicht immer sofort, ob ich die Leute erreiche.“
Trotzdem sind die Online-Seminare mittlerweile fest im Akademieprogramm etabliert – und werden auch nach Corona ihren Platz haben. Das betrifft vor allem Wolf-Mitarbeiter im Ausland, die bislang regelmäßig in Deutschland geschult wurden, um danach Kunden im Ausland vor Ort weiterzubilden. Der große Vorteil der Online-Angebote: „Mit ihnen sparen wir einiges an Zeit und Reisekosten“, sagt Ziegltrum.
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich habe bei Wolf vor 33 Jahren als Industriekaufmann angefangen. Die Liebe zur Technik kam dann erst später.
Was reizt Sie am meisten?
Kein Tag ist gleich. Ich habe Kontakt zu sehr vielen unterschiedlichen Menschen und freue mich, den Lernerfolg bei anderen zu sehen.
Worauf kommt es an?
Die Kunst ist es, technisch komplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären und Inhalte zu vermitteln.
Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.
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